Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Erreichbarkeit eines Wohngrundstücks mit einem Kraftfahrzeug

 

Leitsatz (amtlich)

Die zur Benutzung eines Wohngrundstücks notwendige Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen ist bereits dann gegeben, wenn Kraftfahrzeuge in der Nähe des Grundstücks abgestellt werden können und das Grundstück über einen mit Lasthilfen begehbaren Verbindungsweg zumutbar erreichbar ist.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 18.11.2011; Aktenzeichen 10 O 541/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 18.11.2011 (10 O 541/10) im Kostenpunkt aufgehoben und das Urteil mit der Maßgabe abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kläger begehren ein Überfahrtsrecht für Pkw über das Hofgelände der Beklagten, um ihr eigenes Grundstück mit einem Pkw befahren zu können.

Die Kläger sind seit 1988 Eigentümer des Anwesens E Straße 15 in R-N mit der Flurstücknummer 147/1. Das Grundstück der Kläger kann von der E Straße und von der P-Gasse aus über einen am Bachufer der P verlaufenden schmalen Weg unstreitig zu Fuß und mit Zweirädern erreicht werden. Die Beklagte ist seit 1993 Eigentümerin des an der E Straße gelegenen Grundstücks E Straße 13 mit der Flurstücknummer 146. Das Grundstück der Beklagten ist u.a. mit einem Wohnhaus sowie einem Wirtschaftsgebäude bebaut. Die Kläger begehren ein Überfahrtsrecht für Pkw über das zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäude liegende Hofgelände der Beklagten. Im Laufe des Rechtsstreits erster Instanz ersetzte die Beklagte eine aus Schalungselementen bestehende Grenzeinrichtung durch eine drei Meter hohe, massive Mauer, wodurch eine Überfahrt über ihr Hofgelände zum Grundstück der Kläger nicht mehr möglich ist. Wegen der Lage und Zugänglichkeit der Grundstücke wird auf den Lageplan und die vorgelegten Lichtbilder verwiesen.

Die Kläger haben behauptet, schon vor Entstehung des BGB habe ein Überfahrtsrecht über das Grundstück der Beklagten wegen eines landwirtschaftlichen Betriebs auf dem klägerischen Grundstück bestanden, wovon die Beklagte bei Eigentumserwerb auch Kenntnis gehabt habe. Die Kläger haben die Auffassung vertreten, ihnen stehe eine eintragungsfähige altrechtliche Dienstbarkeit an dem Grundstück der Beklagten zu, die sie zur Überfahrt mit Fahrzeugen berechtige. Hilfsweise bestehe aber jedenfalls ein Anspruch auf Einräumung eines entsprechenden Notwegrechts am Grundstück der Beklagten.

Die Kläger haben beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Benutzung ihres Grundstücks E Straße 13 in 75196 R, eingetragen im Grundbuch des Grundbuchbezirks N Nr. 2.010 bei dem Grundbuchamt R, durch die Kläger sowie Besucher der Kläger zur Überfahrt mit dem Pkw oder anderen Fahrzeugen zu dulden und hierfür einen drei Meter breiten Fahrstreifen zur Verfügung zu stellen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, der Eintragung eines Wegerechts gemäß dem Antrag Ziff. 1. zugunsten des im Grundbuch des Grundbuchbezirks N beim Grundbuchamt R unter Nr. 1.004 verzeichneten Grundstücks in das Grundbuch Nr. 2.010 beim Grundbuchamt R N zum Grundbuchbezirk N, zuzustimmen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.101,46 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat das Bestehen einer altrechtlichen Dienstbarkeit zugunsten der Kläger sowie eine Kenntnis davon bestritten. Im Übrigen könne das Grundstück der Kläger über den Weg von der P-Gasse aus auch mit Kraftfahrzeugen erreicht werden. Weiterhin hätten die Kläger schon bei Eigentumserwerb Sorge für die von ihnen jetzt begehrte Zufahrtsmöglichkeit tragen können.

Das LG hat nach Beweisaufnahme durch Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 18.11.2011, auf das wegen der weiteren Feststellungen verwiesen wird, die Beklagte verurteilt, die Benutzung ihres Grundstücks durch die Kläger zur Überfahrt mit einem Pkw durch Zurverfügungstellung eines 3 m breiten Fahrstreifens über ihr Hofgelände zweimal wöchentlich zu dulden. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass den Klägern zwar keine altrechtliche Dienstbarkeit an dem Grundstück der Beklagten zustehe, da die Beklagte das Grundstück gutgläubig lastenfrei erworben habe. Allerdings bestehe ein Notwegrecht. Bei Wohngrundstücken sei entscheidend darauf abzustellen, ob die Erreichbarkeit des Grundstücks mit dem eigenen Pkw zur problemlosen Anlieferung von Gegenständen des täglichen Lebensbedarfs gewährleistet sei, was nur über das Grundstück der Beklagten möglich sei. Eine Erreichbarkeit zu Fuß oder mit dem Zweirad sei nicht ausreichend. Den Klägern sei daher ein zweimaliges Überfahrtsrecht über das Grundstück der Beklagten pro Woche mit einem Pkw einzuräumen. Ein darüber hinausgehendes Überfahrtsrecht, insbesonde...

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