Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast für den Versicherungsfall "Unfall" in der Kaskoversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Kaskoversicherung ist der Versicherungsfall "Unfall" erwiesen, wenn feststeht, dass die Schäden nach Art und Beschaffenheit nur auf einem Unfall im versicherten Zeitraum beruhen können. Dies gilt auch dann, wenn der Sachverhalt im Einzelnen nicht aufgeklärt werden kann und der Unfallhergang so, wie er vom Versicherungsnehmer geschildert wurde, zumindest im Detail nicht stattgefunden haben kann (Fortführung von OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. März 2006 - 12 U 292/05, juris Rn. 12).

2. Es liegt in der Regel keine grob fahrlässige oder vorsätzliche Obliegenheitsverletzung vor, wenn der Versicherungsnehmer die Frage des Versicherers "Gibt es Zeugen, die den Unfall beobachtet haben?" dahingehend missversteht, dass damit nur außerhalb des versicherten Fahrzeugs befindliche Personen gemeint sind und den Beifahrer nicht als Zeugen des Unfalls benennt.

 

Normenkette

AKB 2015 A. 2.2.2; AKB 2015 E. 1.1.3; VVG §§ 28, 81 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 25.09.2020; Aktenzeichen 8 O 351/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25.09.2020, Az. 8 O 351/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung wegen eines vom Kläger behaupteten Unfallereignisses am 26.06.2017.

Der Kläger als Versicherungsnehmer unterhielt bei der Beklagten als Versicherer für einen Pkw Mercedes B-Klasse 180 CDI mit dem amtlichen Kennzeichen ... einen Kraftfahrzeugversicherungsvertrag mit Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung und einem vereinbarten Selbstbehalt von 500 EUR. Diesem liegen der Versicherungsschein vom 18.11.2016 nebst Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB Stand 01.05.2016) zugrunde. In den AKB ist auszugsweise geregelt:

"A.2.2.2 Welche Ereignisse sind in der Vollkasko versichert?

Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung, Totalschaden oder Verlust des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse: ...

Unfall

A.2.2.2 Versichert sind Unfälle des Fahrzeugs. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. ...

A.2.2.2.5 Kein Versicherungsschutz besteht jedoch für Schäden

a) durch Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nach A.2.9.1, ...

A.2.9 Was ist nicht versichert?

Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit

A.2.9.1 Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie vorsätzlich herbeiführen.

Ermöglichen Sie einen Diebstahl grob fahrlässig oder führen Sie einen Schadenfall infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel grob fahrlässig herbei, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. In allen anderen Fällen verzichten wir Ihnen gegenüber auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadenfalls.

E.1 Welche Pflichten haben Sie im Schadenfall? ...

Aufklärungspflicht

E.1.1.3 Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:

Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei vorgeschriebenen Wartezeiten zu beachten (Unfallflucht).

Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten. Wir können verlangen, dass Sie uns in Textform antworten. ...

E.2 Welche Folgen hat eine Verletzung dieser Pflichten?

Leistungsfreiheit bzw. Leistungskürzung

E.2.1 Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.

E.2.2 Abweichend von E.2.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen."

Der Sohn des Klägers, der Zeuge F. meldete am 26.06.2017 telefonisch einen Versicherungsfall, woraufhin die Beklagte ein Gutachten des Sachverständigen M. vom 03.07.2017 erstellen ließ. Dieses stellte Schäden am versicherten Fahrzeug u.a. an den rechten Türen und der Seitenwand hinten rechts sowie der Felge vorne rechts fest und e...

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