Leitsatz (amtlich)

Wird in objektiver Klagenhäufung Räumung sowie Mietzahlung begehrt, liegt die sachliche Zuständigkeit des AG für die Räumungsklage bereits vor, wenn der Kläger ein zu Wohnzwecken dienendes Mietverhältnis (wenigstens) schlüssig behauptet (sog. doppeltrelevante Zulässigkeitstatsache), während er die sachliche Zuständigkeit des AG für die Zahlungsklage, für die zuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen nicht zusammenfallen, nachzuweisen hat.

 

Normenkette

GVG § 23 Nr. 2a, § 71; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 260

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Aktenzeichen 23 C 105/05)

 

Tenor

Das LG Heidelberg wird als zuständiges Gericht bestimmt.

 

Gründe

Das Bestimmungsverfahren ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässig; es liegt ein negativer Kompetenzkonflikt vor.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist das LG Heidelberg nach § 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig, da kein Rechtsstreit über Wohnraummiete nach § 23 Nr. 2a GVG vorliegt. Auf die im Vorlagebeschluss aufgeworfene Frage, ob der Verweisungsbeschluss des AG "objektiv willkürlich" erscheint und deshalb nicht bindend ist, kommt es für die Zuständigkeitsbestimmung nicht an.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten in objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) einerseits zur Räumung und Herausgabe der von ihm als Maleratelier genutzten Räumlichkeiten, andererseits zur Zahlung von 2.110 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Während bei Klageantrag Nr. 1 der behauptete Räumungsanspruch aus einem Wohnraummietverhältnis sowohl für die sachliche Zuständigkeit (§ 23 Nr. 2a GVG) als auch für die Begründetheit des Anspruchs von Bedeutung ist und damit eine sog. doppeltrelevante Zulässigkeitstatsache vorliegt, kommt es für die Begründetheit des Klageanspruchs Nr. 2 nicht darauf an, ob sich der Mietzinsanspruch aus einem Wohnraummietverhältnis (§§ 549 ff. BGB) oder einem Mietverhältnis über eine andere Mietsache (§§ 535 ff. BGB) ergibt. Aus dieser Differenzierung folgt, dass eine sachliche Zuständigkeit des AG bei Klageantrag Nr. 1 bereits vorliegt, wenn der Kläger ein zu Wohnzwecken dienendes Mietverhältnis (wenigstens) schlüssig behauptet, während er die sachliche Zuständigkeit des AG für Klageantrag Nr. 2 zu beweisen hat.

1. Für die sachliche Zuständigkeit des AG für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Wohnraummietverhältnis ist nicht erheblich, ob ein solches Mietverhältnis unstreitig oder nachgewiesen ist, wenn sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichts aus den zur Begründung des erhobenen Anspruchs vorgebrachten Tatsachen ergibt (sog. doppeltrelevante Zulässigkeitstatsache). Dann genügt nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH v. 11.7.1996 - V ZB 6/96, BGHZ 133, 240 [243] = MDR 1996, 1287; BGHZ 124, 241; Stein/Jonas/Roth, ZPO-Kommentar, 22. Aufl., § 1 Rz. 24 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO-Kommentar, 25. Aufl., § 12 Rz. 15), wenn der Kläger ein zu Wohnzwecken dienendes Mietverhältnis (wenigstens) schlüssig behauptet hat. In einem solchen Falle sind mithin die Tatsachenbehauptungen des Klägers, wie sie sich aus dem Klageantrag i.V.m. der Klagebegründung ergeben, allein entscheidend (Musielak/Wittschier, ZPO-Kommentar, 4. Aufl., § 23 GVG Rz. 7, § 71 GVG Rz. 3).

Dass die Zuständigkeit des AG im Falle des § 23 Nr. 2a GVG (Anspruch aus einem Mietverhältnis über Wohnraum) bereits gegeben ist, wenn der Kläger ein solches Mietverhältnis schlüssig behauptet hat, gilt freilich nur, wenn eine solche doppeltrelevante Zulässigkeitstatsache vorliegt (unklar: OLG München MDR 1977, 497; MDR 1979, 939; Zöller/Gummer, ZPO-Kommentar, 25. Aufl., § 23 GVG Rz. 8; Kissel, GVG-Kommentar, 3. Aufl., § 23 Rz. 17). Fallen zuständigkeits- und anspruchsbegründende Tatsachen hingegen nicht zusammen, muss sich die behauptete sachliche Zuständigkeit nicht nur schlüssig aus dem Klagevorbringen ergeben, sondern der Kläger hat die zuständigkeitsbegründenden Umstände auch nachzuweisen (BGH NJW 1964, 497 [498]; BGH v. 11.7.1996 - V ZB 6/96, BGHZ 133, 240 [243] = MDR 1996, 1287).

2. Im vorliegenden Fall zeigen weder der Klageantrag Nr. 1 noch die dazu abgegebene Klagebegründung auf, dass zwischen den Parteien ein Mietverhältnis über Wohnraum Grundlage des Rechtsstreits ist.

a) Das Bestehen eines Wohnraummietverhältnisses ist im vorliegenden Falle nicht nur für die sachliche Zuständigkeit von Bedeutung, sondern auch für die Begründetheit des Räumungsanspruchs. Es ist nämlich unter den Parteien streitig, ob die ausgesprochene Kündigung im Lichte des § 568 Abs. 1 BGB rechtswirksam ist. Nach dieser Vorschrift bedarf die Kündigung des Mietverhältnisses über Wohnraum der schriftlichen Form, während bei einem Mietverhältnis über eine andere Mietsache nach § 542 BGB Schriftform nicht vorgeschrieben ist (Palandt/Weidenkaff, BGB-Kommentar, 64. Aufl., § 542 Rz. 15). Auch kann eine angemessene Räumungsfrist nach § 721 ZPO (§ 794a ZPO) nur gewährt werden, wenn auf Räumung von Wohnraum erkannt wird.

b) Der Klageantrag ist auf Räumung und Herausgabe von als Maleratelier genutzten Räumlichkeiten gerichtet. In der Klagebegründung ...

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