Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob und inwieweit die Ermöglichung einer geteilten Betreuung im Sinne eines Wechselmodells auch im Rahmen eines Sorgerechtsstreits (Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts) erfolgen kann (hier: offengelassen).

2. Ein Wechselmodell ist auf Seiten des Kindes nur in Betracht zu ziehen, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Wesentlicher Aspekt ist zudem, vor allem bei Kindern im Jugendalter, der vom Kind geäußerte Wille. Im Verhältnis der Eltern erfordert das Wechselmodell regelmäßig einen erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, so dass bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung ein Wechselmodell in der Regel nicht dem Kindeswohl entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2017 - XII ZB 601/15).

3. Kommt danach ein Wechselmodell nicht (mehr) in Betracht., kann das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht beibehalten werden, weil die Eltern sich über den künftigen Lebensmittelpunkt ihres Sohnes nicht einig sind.

 

Normenkette

BGB § 1626 Abs. 3 S. 1, § 1671 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Weinheim (Aktenzeichen 2 F 24/20)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weinheim vom 05.05.2020, Az. 2 F 24/20 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 3.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den am ... geborenen M. (genannt M.).

M. ist aus der am 04.01.2006 geschlossenen Ehe der Beteiligten hervorgegangen. Die Trennung erfolgte im Jahr 2009. Seither haben beide Kindeseltern und M. zunächst in D. gelebt, bis die Kindesmutter im Sommer 2019 in das benachbarte Sch. gezogen ist, wo sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten lebt. Den Umgang mit M. nahm der Antragsteller zunächst an jedem zweiten Wochenende ab Freitag bis zum Montag wahr. Im Jahr 2012 wurden die Kindeseltern geschieden. Seit der Jahreswende 2012/2013 bis zu der hier streitgegenständlichen erstinstanzlichen Entscheidung praktizierten die Kindeseltern fast durchgehend eine Art Wechselmodell. In der Folgezeit kam es zu Annäherungen der Beteiligten und einem zunächst gemeinsamen Wunsch - Einzelheiten sind streitig -, nach L., der Heimat des Antragstellers, zu ziehen. Im Jahr 2016 kam es zur endgültigen Trennung, mit der für die Antragsgegnerin auch ein Umzug nach L. nicht mehr in Betracht kam.

Der Antragsteller ist promovierter Physiker und seit seiner Promotion vor einigen Jahren nicht erwerbstätig. Die Kindesmutter ist von Beruf Diplomübersetzerin für verschiedene europäische Sprachen und seit dem Jahr 2012 bei der B. angestellt.

Der Antragsteller hatte bereits zuvor mit Schreiben vom 04.09.2018 ein Verfahren wegen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts beim Amtsgericht - Familiengericht - Heidelberg eingeleitet mit dem Ziel, gemeinsam mit M. nach L. zu ziehen (Az. 36 F 120/18 des Amtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg). Das Verfahren endete einvernehmlich durch wechselseitige Antragsrücknahme. Die Eltern lebten hiernach weiterhin in D. bzw. Sch.

M. hat zunächst die Geschwister-Scholl-Schule in K./H. besucht, mittlerweile geht er auf das Gymnasium in Sch.

Mit Schreiben vom 31.01.2020 hat der Antragsteller hiesiges Verfahren anhängig gemacht und erneut die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für M. auf sich beantragt. Seinen Antrag hat der Antragsteller abermals damit begründet, dass er nun definitiv nach L. umziehen wolle und den Sohn mitnehmen wolle. Er habe eine gute Beziehung zu seinem Sohn und wolle diesem ermöglichen, seine väterliche Familie im Alltag zu erleben.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten und hat zudem ihrerseits die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragt. Hierzu hat sie ausgeführt, dass die Umgangszeiten von M. mit seinem Vater für M. zunehmend belastend seien. Immer wieder eskaliere die Situation zwischen Vater und Sohn. Der Vater komme nicht damit zurecht, dass M. älter werde, in die Pubertät komme und seinen eigenen Willen auspräge. Oftmals reagiere er heftig gegenüber M. Die Änderung der bisher praktizierten Umgangsregelung sei daher unabhängig von einem Umzug notwendig. Auch für den Fall eines Umzugs entspreche es dem Wohl M. am besten, im mütterlichen Haushalt zu bleiben, da M. nur so seine Heimat und sein soziales Umfeld erhalten blieben.

Am 05.05.2020 hat das Amtsgericht M., seine Eltern, die Verfahrensbeiständin und das Jugendamt angehört. Auf den Vermerk vom 05.05.2020 wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 05.05.2020 hat das Amtsgericht den Antrag des Kindesvaters zurückgewiesen und der Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. übertragen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter entspreche dem Kindeswohl am besten. Dies ergebe sich zum einen aus den Umzugsplänen des Vaters, wonach er be...

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