Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschäftswert eines Erbscheinsbeschwerdeverfahrens bestimmt sich nicht nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers, sondern nach dem Wert des Erbscheins, gegen dessen Erteilung sich die Beschwerde richtet (Festhaltung an Senatsentscheidung ErbR 2015, 499; Anschluss an OLG Schleswig FGPrax 2015, 93, Abweichung von OLG Hamm FGPrax 2015, 277, juris-Rn. 5; OLG Düsseldorf MDR 2016, 415, juris-Rn. 24; OLG Dresden, Beschluss vom 19.1.2016 - 17 W 1275/15, juris-Rn. 6).

2. Ein etwa bestehendes Pflichtteilsrecht mindert den Geschäftswert auch im Erbscheinsbeschwerdeverfahren nicht.

 

Normenkette

GNotKG §§ 36, 40, 61

 

Tenor

Die Gegenvorstellung der Beteiligten zu 2 gibt zu einer Abänderung der Geschäftswertfestsetzung in Ziffer 3 des Senatsbeschlusses vom 2.2.2016 keinen Anlass.

 

Gründe

I. Die Beteiligten haben im Erbscheinsverfahren darüber gestritten, ob die Beteiligte zu 1 - die Witwe des Erblassers - das vom Erblasser mit einer früheren Ehefrau errichtete Testament wirksam wegen ihrer Übergehung als Pflichtteilsberechtigte angefochten hat. Die Beteiligte zu 2, die Tochter des Erblassers, ist der Anfechtungserklärung entgegengetreten; sie hat um einen Erbschein nachgesucht, der ihren Bruder und sie zu jeweils hälftigen Testamentserben bestimmen sollte. Die Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, der sie zur Hälfte und die Kinder des Erblassers - darunter die Beteiligte zu 2 - jeweils zu einem Viertel als Erben ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hat die Voraussetzungen dieses Erbscheinsantrags für festgestellt erachtet. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 - mit der sie ihren erstinstanzlichen Erbscheinsantrag ausdrücklich weiterverfolgt hat - hat der Senat zurückgewiesen; dabei hat er den Geschäftswert unter Ansatz des gesamten Reinnachlasses festgesetzt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2. Sie meint, der Geschäftswert habe sich an ihrem wirtschaftlichen Interesse an der Entscheidung zu orientieren; dieses entspreche lediglich einem Achtel des Nachlasswerts. Sie habe lediglich einen hälftigen Erbteil für sich in Anspruch genommen. Ein Viertel hiervon habe ihr die Beteiligte zu 1 selbst zugestanden. Es sei außerdem der der Beteiligten zu 1 jedenfalls zukommende Pflichtteil abzuziehen.

II. Da eine Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung des Senats nicht statthaft ist (§§ 83 Absatz 2 Satz 7, 81 Absatz 3 Satz 3 GNotKG), legt der Senat die Eingabe der Beteiligten zu 2 dahin aus, dass im Wege der Gegenvorstellung eine amtswegige Korrektur der für die Berechnung der Gerichtsgebühren vorgenommenen Geschäftswertfestsetzung für den zweiten Rechtszug begehrt wird. Zu dieser besteht indes kein Anlass. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach es für den (gerichtlichen) Geschäftswert im Erbscheinsbeschwerdeverfahren nicht allein auf die erstrebte wirtschaftliche Beteiligung des Beschwerdeführers am Nachlass ankommt (hierzu nachfolgend 1.). Ein etwaiges Pflichtteilsrecht berührt die Höhe des Geschäftswerts nicht (hierzu nachfolgend 2.).

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest (ErbR 2015, 499; in Übereinstimmung mit OLG Schleswig FGPrax 2015, 93; ähnlich OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.3.2015 - 20 W 380/13, juris; ebenso Staudinger/Herzog (2016) BGB § 2353, Rn 610; in gleicher Richtung Kuhn ErbR 2016, 104), wonach sich der Geschäftswert eines Erbscheinsbeschwerdeverfahrens nicht am wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers orientiert, sondern an dem Erbschein, dessen Erteilung vom Nachlassgericht mit dem Feststellungsbeschluss angefochten worden ist. Der gegenteiligen Auffassung anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamm FGPrax 2015, 277, juris-Rn. 5; OLG Düsseldorf MDR 2016, 415, juris-Rn. 24; OLG Dresden, Beschluss vom 19.1.2016 - 17 W 1275/15, juris-Rn. 6) vermag er sich nicht anzuschließen. Bei der Bestimmung des Geschäftswerts im Erbscheinsbeschwerdeverfahren ist der Rückgriff auf die ermessensgeleitete Wertvorschrift des § 36 GNotKG versperrt; es ist auf die spezielle Regelung in § 40 GNotKG zurückzugreifen, die eine Berücksichtigung des eigenen wirtschaftlichen Interesses des beschwerdeführenden Erbanwärters nicht ermöglicht.

a) Der am 1.8.2013 in Kraft getretene und daher auch auf den vorliegenden Fall anwendbare § 61 GNotKG enthält - anders als zuvor § 131 Absatz 4 KostO - keinen Verweis auf die § 30 KostO entsprechende allgemeine Wertvorschrift des § 36 GNotKG. Eine unmittelbare Anwendung des § 36 GNotKG ist nach der Systematik des Gerichts- und Notarkostengesetzes versperrt. Dieser ist ausweislich seines Wortlauts ("Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt [...]") eine Auffangvorschrift (Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage, § 36 GNotKG, Rn. 2). Sie wird daher von dem speziell für das Erbscheinsverfahren geltenden § 40 GNotKG verdrängt. Aufgrund der Änderung der Gesetzessystematik können damit - entgegen der wohl vom Oberlandesg...

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