Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung der Anordnung in einem gemeinschaftlichen Testament, wonach ein Kind der Eheleute seinen "Erbteil nur vom Inventar" und das "ihm zustehende Bargeld" ein Enkel erhalten soll.

2. Auch in dem über ein Erbscheinsantrag geführten Beschwerdeverfahren vor dem OLG ist für die Geschäftswertfestsetzung § 40 GNotKG anzuwenden. Wertmindernd sind daher nur Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, die bereits gegenüber dem Erblasser bestanden, nicht dagegen etwa Vermächtnisse, Beerdigungskosten und Pflichtteile (Anschluss an OLG Köln, ZEV 2014, 608; OLG Schleswig, FGPrax 2015, 93).

 

Normenkette

BGB §§ 1937, 1939; GNotKG § 79 Abs. 1, §§ 61, 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Notariat Pforzheim Nachlassgericht (Beschluss vom 02.09.2014; Aktenzeichen 4 NG 428/2013)

 

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den am 22.9.2014 der Geschäftsstelle übergebenen Beschluss des Notariats Pforzheim - Nachlassgericht - 4 NG 428/2013 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte zu 3 hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: Bis 95.000 EUR.

 

Gründe

I. Aus der Ehe des Erblassers und seiner am 21.6.2005 vorverstorbenen Ehefrau H. S. geb. S. gingen die Söhne B. S. - der Beteiligte zu 3 - und Ch. S. hervor. Die Tochter P. - die Beteiligte zu 5 - des Herrn B. S. wurde am 6.6.1972 geboren. Herr Ch. S. verstarb im Juli 2007. Er hinterließ seine Kinder C. W. geb. S. (Beteiligte zu 2) und Thomas S. (Beteiligter zu 1). Aus der Ehe von Frau C. W. geb. S. mit Herrn Wolfgang W. ging der am 4.2.1990 geborene Sohn D. W. hervor (Beteiligter zu 4); er ist der Urenkel des Erblassers.

Am 6.12.1991 errichteten der Erblassers und seine Ehefrau eine mit "Gemeinschaftliches Testament" überschriebene privatschriftliche Urkunde. Darin heißt es auszugsweise:

"1. Wir die Eheleute A. und H. S. geb. Sch. setzen uns gegenseitig als Vorerben ein.

2. Als Nacherben des Erstversterbenden und des Letztversterbenden setzten wir unsere Kinder Ch. und B. S. ein.

3. Unser Sohn Ch. hat sich von unserer Familie losgesagt und soll sein Erbteil nur vom Inventar erhalten. Das ihm zustehende Bargeld darf nur an seinen Enkel D. W., wohnhaft in R., gezahlt werden und zwar als Festgeld bis zu seiner Volljährigkeit.

4. Für den vorhandenen Schmuck setzten wir als Erbe unsere Enkeltochter P. S. ein.

5. Für die Haushaltsauflösung und des Vermögens erteilen wir unserem Sohn B. S. die alleinige Vollmacht.

..."

Das in der Nachlassakte befindliche Nachlassverzeichnis weist als Nachlassmasse Geldvermögen von 81.000 EUR und Sterbegeld von 3.900 EUR aus; Grundvermögen ist nicht aufgeführt.

Mit Schriftsatz vom 25.2.2014 beantragte der Beteiligte zu 3 einen Alleinerbschein zu seinen Gunsten. Anderslautende Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2 und des Beteiligten zu 1 wurden zurückgenommen.

Durch am 22.9.2014 der Geschäftsstelle übergebenen Beschluss wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3 zurück. Es stützte sich darauf, dass nach dem auslegungsbedürftigen Testament der Beteiligte zu 3 nicht Alleinerbe, sondern lediglich hälftiger Miterbe zusammen mit Herrn D. W. geworden sei. Dies ergebe sich aus dem Zusammenspiel der Ziff. 2 und 3 des gemeinschaftlichen Testaments, wonach die ursprünglich dem Sohn Ch. zugedachte Hälfte des Erbes wegen dessen Lossagung von der Familie nunmehr dem Urenkel D. zukommen sollte.

Gegen den dem Beteiligten zu 3 am 25.9.2014 zugestellten Beschluss legte dieser am 20.10.2014 Beschwerde ein. Nach Auffassung der Beschwerde ist das gemeinschaftliche Testament so zu verstehen, dass der Sohn Ch. lediglich ein Vermächtnis erhalten habe und somit der Beteiligte zu 3 Alleinerbe geworden sei. Die Rolle des Urenkels D. beschränke sich darauf, dass das dem Sohn Ch. übertragene Vermächtnis an dessen Enkel nach dessen Volljährigkeit ausbezahlt werden soll.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Nachlassgericht hat den auf Erteilung eines Alleinerbscheins gerichteten Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3 zu Recht zurückgewiesen, da der Beteiligte zu 3 in dem gemeinschaftlichen Testament des Erblassers und seiner Ehefrau vom 6.12.1991 nicht als Alleinerbe eingesetzt worden ist.

1. Zutreffend geht das Nachlassgericht von einer Auslegungsbedürftigkeit des Testaments aus. Die bei der Ermittlung des Erblasserwillens angewandten Auslegungsgrundsätze sind nicht zu beanstanden.

Bei der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dieser Aufgabe kann der Richter nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt. Der Wortsinn der benutzten Ausdrücke muss gewissermaßen "hinterfragt" werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll (BGH FamRZ 2009, 1486 Rz. 25; FamRZ 1987, 475 ...

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