Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert einer positiven Feststellungsklage - Keine Herabsetzung bei unrealistischen Vorstellungen des Klägers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den Streitwert einer positiven Feststellungsklage kommt es darauf an, in welcher Höhe Ansprüche gegen den Beklagten in Betracht kommen. Maßgeblich für die Schätzung sind allein die Angaben, die der Kläger seiner Klage zugrunde legt.

2. Es spielt für die Wertfestsetzung keine Rolle, ob die Vorstellungen des Klägers realistisch sind. Die Angaben des Klägers bleiben auch dann für den Streitwert der positiven Feststellungsklage maßgeblich, wenn er völlig überzogene Vorstellungen von den möglichen Ansprüchen hat.

 

Normenkette

ZPO § 3; GKG § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 19.11.2011; Aktenzeichen 5 O 176/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten Ziff. 1 - 13 (Beschwerdeführer) gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des LG Freiburg vom 19.12.2011 - 5 O 176/10 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betrieb über viele Jahre ein Bauunternehmen. Die Klägerin ist heute insolvent. Ein Insolvenzantrag wurde mangels Masse abgewiesen. Die Tätigkeit des Bauunternehmens ist eingestellt.

Im Verfahren vor dem LG hat die Klägerin, vertreten durch einen Liquidator, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht. Bei einem größeren Bauvorhaben sei eine Werklohnforderung von den Beklagten trotz Fälligkeit nicht bezahlt worden. Die Pflichtverletzung der Beklagten sei entscheidend gewesen für die Insolvenz der Klägerin. Die Beklagten seien unter dem Gesichtspunkt des Verzugs verpflichtet, der Klägerin den durch die Insolvenz entstandenen Schaden zu ersetzen. Die genaue Höhe des Schadens lasse sich derzeit noch nicht beziffern. Als Anhaltspunkt für die Höhe des Schadens könne man von dem Wert ausgehen, den das Bauunternehmen bis zur Einstellung der Tätigkeit gehabt habe. Das Unternehmen habe vor der Insolvenz über einen Zeitraum von mehreren Jahren einen kalkulatorischen Unternehmerlohn i.H.v. 8.000 EUR/Monat erwirtschaftet. Bei einer Hochrechnung mit einem bestimmten Zinsfuß ergebe sich ein Verkehrswert des Unternehmens von 1.066.666 EUR. Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin den durch die Insolvenzanmeldung - als Folge der ausgebliebenen Werklohnzahlung - entstandenen Schaden zu ersetzen.

Das LG hat mit Urteil vom 2.12.2011 die Klage abgewiesen. Etwaige Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz seien jedenfalls verjährt. Mit Beschluss vom 19.12.2011 hat das LG den Streitwert auf 700.000 EUR festgesetzt.

Gegen die Streitwertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Beklagten Ziff. 1 - 13. Sie halten einen Streitwert von lediglich 5.000 EUR für angemessen. Die von der Klägerin angegebenen Vorstellungen zu möglichen Schadensersatzforderungen könne man der Streitwertfestsetzung nicht zugrunde legen. Denn die Vorstellungen der Klägerin seien völlig unrealistisch. Das Unternehmen der Klägerin habe vor dem Insolvenzantrag - entgegen den Ausführungen der Klägerin - keinen nennenswerten Wert gehabt. Vielmehr sei der Substanzwert des Unternehmens mit 0 EUR anzusetzen. Zudem seien die Vorwürfe, welche die Klägerin gegenüber den Beklagten zur Begründung ihrer Forderung erhoben habe, vollkommen unverständlich.

Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Beteiligten hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin, die inzwischen Berufung gegen das Urteil des LG eingelegt hat, hält an ihrer Auffassung fest, wonach die geltend gemachten Schadensersatzforderungen auch der Höhe nach realistisch seien.

II. Die zulässige Beschwerde der Beschwerdeführer ist nicht begründet. Zu Recht hat das LG den Streitwert auf 700.000 EUR festgesetzt.

1. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Das dem Gericht nach § 3 ZPO obliegende Ermessen hat das LG zutreffend ausgeübt.

a) Entscheidend im Rahmen von § 3 ZPO ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers, welches er mit seiner Klage verfolgt. Denn es ist grundsätzlich allein der Kläger, der durch einen bestimmten Antrag und durch die Begründung des Antrags den Gegenstand des Rechtstreits bestimmt. Dieser, allein vom Kläger bestimmte, Streitgegenstand ist für den Streitwert maßgeblich. Es kommt daher für den Streitwert auch nur auf die Angaben des Klägers an, mit denen er seine Klage begründet (vgl. zu den Grundsätzen der Streitwertfestsetzung im Rahmen von § 3 ZPO Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 3 ZPO Rz. 2).

b) Der Streitwert einer Feststellungsklage bestimmt sich daher im Ausgangspunkt danach, welche Ansprüche aus der Sicht des Klägers möglicherweise von dem Feststellungsantrag umfasst werden (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 3 ZPO Rz. 16 "Feststellungsklagen"). Nach den Angaben der Klägerin stehen im vorliegenden Rechtstreit Schadensersatzansprüche in einer Größenordnung von 1.066.666 EUR im Raum, da dies dem Wert des Unternehmens der Kläger...

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