Leitsatz (amtlich)

Ist ein Ausgleich eines Anrechts wegen der Unwirksamkeit der Startgutschrift bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht möglich und besteht deshalb ein wichtiger Grund für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 21 FamFG, gilt dies nur für das einzelne Anrecht, das von dieser Unwirksamkeit betroffen ist, nicht dagegen für andere Anrechte, die ohne weiteres bei der Scheidung ausgeglichen werden können. Hinsichtlich der anderen nicht betroffenen Anrechte ist deshalb der Versorgungsausgleich durchzuführen.

 

Normenkette

FamFG § 21

 

Verfahrensgang

AG Konstanz (Beschluss vom 11.01.2011; Aktenzeichen 2 F 145/10)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Konstanz vom 11.1.2011 (2 F 145/10) in Ziff. 2 wie folgt abgeändert:

Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird hinsichtlich der Rentenanwartschaften der Antragstellerin bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg (ZVK-KVBW) und hinsichtlich der Rentenanwartschaften des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ausgesetzt.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 714 EUR festgesetzt

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist Aussetzung des Versorgungsausgleichsverfahrens.

Das AG - Familiengericht - Konstanz hat durch Verbundbeschluss vom 11.1.2010 (2 F 145/10) die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners geschieden. Das Versorgungsausgleichsverfahren wurde insgesamt ausgesetzt. Auf den Beschluss des Familiengerichts wird verwiesen.

Die A AG hat als Beteiligte Ziff. 1 gegen die - in diesem Beschluss angeordnete - Aussetzung sofortige Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, dass kein Grund bestehe, den Versorgungsausgleich bezüglich des bei ihr bestehenden Anrechts auszusetzen, weil dieses Anrecht von der bei den Zusatzversorgungen des öffentlichen Dienstes bestehenden Problematik nicht erfasst werde. Die Aussetzung widerspreche der Zielsetzung des neuen Rechts, frühzeitig eine eigene Versorgung zu schaffen und die Versorgungsschicksale bereits bei der Scheidung endgültig zu trennen. Eine Aussetzung dürfe nur hinsichtlich der Anrechte betreffend die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erfolgen. Auf die Begründung der sofortigen Beschwerde wird Bezug genommen.

Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die gem. § 21 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 ist begründet. Sie führt zur Abänderung der Aussetzungsentscheidung.

Bei der Aussetzung des Verfahrens über den Versorgungsausgleich handelt es sich, auch wenn die Anordnung von dem AG - Familiengericht - der Form nach in einer Endentscheidung nach § 38 FamFG getroffen wurde, der Sache nicht um eine abschließende Entscheidung über den Versorgungsausgleich, sondern um eine konklu-dente Abtrennung dieser Folgesache und eine Aussetzung des weiterhin erstinstanzlich anhängigen Verfahrens nach § 21 FamFG. Gegen diese Endscheidung ist die sofortige Beschwerde nach § 21 Abs. 2 FamFG zulässig (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 31. Aufl. 2010, vor § 511 Rz. 8).

Die sofortige Beschwerde ist begründet.

§ 21 FamFG gestattet die Aussetzung des Verfahrens aus wichtigem Grund. Die ausstehende verfassungskonforme Neuregelung der Bewertung der bis 31.12.2001 durch rentenferne Jahrgänge erworbenen Versorgungsansprüche durch den Versorgungsträger stellt einen wichtigen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar, da die interne Teilung des Anrechts der Antragsstellerin bei der Zusatzversorgungskasse und des Anrechts des Antragsgegners bei der VBL eine verbindliche Bewertung voraussetzt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.9.2010 - 7 UF 84/10; OLG Celle, Beschl. v. 15.11.2010 - 10 UF 182/10; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.1.2011 - 5 UF 326/10; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.12.2010 - 18 UF 246/10). Der Versorgungsausgleich kann hinsichtlich der Anwartschaften der Antragstellerin und der Anwartschaften des Antragsgegners bei der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes derzeit nicht durchgeführt werden. Einer Einbeziehung dieser Versorgungsanrechte steht die Entscheidung des BGH v. 14.11.2007 - IV ZR 74/06 - (FamRZ 2008, 395 ff.) entgegen, wonach die Berechnung der Startgutschriften für die rentenfernen Jahrgänge - dazu gehören die am 28.11.1960 geborene Antragstellerin und der am 28.7.1962 geborene Antragsgegner - gegen Art. 3 GG verstößt und unwirksam ist.

Zwar steht eine Verfahrensaussetzung nach § 21 FamFG grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes. Dieses Ermessen ist jedoch dann auf eine Pflicht reduziert, wenn die Voraussetzungen einer Sachentscheidung - wie hier die verbindliche Bewertung der Anrechte auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - im betreffenden Verfahren nic...

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