Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung und Tragweite der "Psychoklausel" in der Unfallversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine durch einen Verkehrsunfall verursachte dissoziative Bewegungsstörung ist eine "krankhafte Störung infolge psychischer Reaktionen" im Sinne der üblichen Bedingungen in der Unfallversicherung.

 

Normenkette

AUB 2010 Ziff. 5.2.6

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 13.03.2014; Aktenzeichen 2 O 408/10 B)

 

Tenor

Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Konstanz vom 13.03.2014 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat zu einem unbekannten Zeitpunkt bei der Beklagten eine Kranken- und Unfallversicherung abgeschlossen, die für Auslandsreisen gelten sollte. Für den Fall der Invalidität nach einem Unfall war eine Versicherungssumme von bis zu 52.000,00 EUR vereinbart, die sich bei einem Verkehrsunfall im Ausland verdoppeln sollte. Für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit bestimmter Körperteile waren in § 26 Ziff. 3c der vereinbarten Versicherungsbedingungen bestimmte Invaliditätsgrade vorgesehen. Für den Verlust eines Armes im Schultergelenk galt ein Invaliditätsgrad von 70 %. Die Versicherungsbedingungen enthielten in § 2 verschiedene Ausschlussklauseln, dabei in Ziff. 3e die folgende Regelung:

"Bei den Unfallversicherungsleistungen sind zusätzlich folgende Gesundheitsschäden nicht versichert:

...

e) durch krankhafte Störungen in Folge psychischer Reaktionen."

Der Kläger hat vorgetragen: Am 28.07.2008 sei er bei einem Verkehrsunfall in der Türkei verletzt worden. Er habe nach dem Unfall Schmerzen im linken Arm verspürt. Später sei der linke Arm verletzungsbedingt bewegungs- und funktionsunfähig geworden. Der Gesundheitsschaden sei dauerhaft. Er hat von der Beklagten Leistungen aus der Unfallversicherung in Höhe von 72.800,00 EUR nebst Zinsen verlangt (70 % aus der für den Fall eines Verkehrsunfalls verdoppelten Invaliditätssumme).

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat das vorgetragene Unfallgeschehen und dadurch verursachte Gesundheitsschäden des Klägers bestritten. Außerdem hat sich die Beklagte auf den Ausschlusstatbestand der "Psychoklausel" in § 2 Ziff. 3e der Versicherungsbedingungen berufen.

Das LG hat Beweis erhoben zum Unfallablauf und hat außerdem ein Gutachten des Sachverständigen Dr. J. eingeholt zu den vom Kläger vorgetragenen Gesundheitsschäden. Das Gutachten hat bestätigt, dass der Kläger - wie von ihm geltend gemacht - seinen linken Arm nicht mehr bewegen könne. Für diese gesundheitliche Beeinträchtigung sei der Unfall ursächlich gewesen im Sinne eines auslösenden Ereignisses. Für die Beeinträchtigungen des Klägers gäbe es jedoch keine organischen Ursachen. Vielmehr handle es sich um ein psychiatrisches Krankheitsbild, nämlich um eine dissoziative Bewegungsstörung.

Das LG hat mit Urteil vom 13.03.2014 die Klage abgewiesen. Auf Grund des eingeholten Sachverständigengutachtens stehe fest, dass es sich bei den Beeinträchtigungen des Klägers um eine psychisch bedingte Unfallreaktion handele. Damit seien die Voraussetzungen für die Ausschlussklausel gemäß § 2 Ziff. 3e der Versicherungsbedingungen gegeben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Die Voraussetzungen der "Psychoklausel" in den Versicherungsbedingungen seien entgegen der Auffassung des LG auch dann nicht gegeben, wenn man die Feststellungen des Sachverständigen Dr. J. im erstinstanzlichen Gutachten zugrunde lege. Von einer "psychischen Reaktion" im Sinne von § 2 Ziff. 3e der Versicherungsbedingungen könne man nicht sprechen, wenn die Folgen der gesundheitlichen Störung dergestalt physischer Natur seien, dass der Kläger den Arm nicht mehr bewegen könne. Außerdem müsse die beim Kläger vorhandene Störung mit biochemischen und mechanischen körperlichen Mechanismen zusammenhängen, was einer Anwendung der "Psychoklausel" entgegenstehe.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 13.03.2014 verkündeten und am 17.03.2014 zugestellten Urteils des LG Konstanz, Az. 2 O 408/10 B, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 72.800,00 EUR nebst fünf Prozentpunkten an Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des LG.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers dürfte voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung erscheint auch im Hinblick auf die Gesichtspunkte gemäß § 522 Abs. 2 Ziff. 2, 3, 4 ZPO nicht erforderlich. Nach vorläufiger Auffassung des Senats hat das LG die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung aus dem Versicherungsvertrag nicht zu.

1. Nach der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass der vom Kläger vorgetragene V...

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