Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen bei Einkünften aus Rente und aus geringfügiger Erwerbstätigkeit. Herabsetzung des Selbstbehalts wegen Ersparnis durch gemeinsame Haushaltsführung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Ermittlung des Selbstbehalts bei Einkünften aus Rente und aus geringfügiger Erwerbstätigkeit.

2. Zur Herabsetzung des Selbstbehalts wegen Ersparnis durch gemeinsame Haushaltsführung.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Schwetzingen (Urteil vom 04.12.2007; Aktenzeichen 2 F 366/07)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten, ihm für eine Berufung gegen das Urteil des AG - FamG - S. vom 4.12.2007 (2 F 366/07) Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Kindesunterhalt seit Januar 2007. Die am 12.2.1996 geborene Klägerin wohnt bei ihrer (seit Geburt schwerbehinderten) Mutter, der seit dem 25.1.1999 geschiedenen Ehefrau des inzwischen wieder verheirateten Beklagten.

Der 43 Jahre alte Beklagte ist an Multiple Sklerose erkrankt und bezieht eine inzwischen unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente von zunächst 708,02 EUR und seit Juli 2007 i.H.v. monatlich 705,55 EUR netto. Daneben hat er Einkünfte aus einer Tätigkeit als Lichttechniker ...

Der Beklagte hat sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen.

Das AG hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von Unterhalt für Januar bis Juni 2007 von monatlich 247 EUR, im Juli 2007 zu 245 EUR und ab 1.8.2007 zu Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe nach § 1 der Regelbetragsverordnung, abzgl. des nach § 1612b Abs. 5 BGB anrechenbaren Kindergelds, mithin i.H.v. derzeit 245 EUR, verurteilt. Nach Abzug von Fahrtkosten i.H.v. 49,50 EUR (16 Tage mit Hin- und Rückfahrt von je 2 km und 2 Tage mit Fahrten zum Sitz seiner Arbeitgeberin in 25,25 km Entfernung) verbleibe dem Beklagten ein Betrag von 1.011,22 EUR. Davon könne der Beklagte den geltend gemachten Kindesunterhalt bezahlen, weil sein Selbstbehalt um 25 % herabzusetzen sei, da er wieder verheiratet sei und mit seiner Ehefrau zusammen lebe ...

Gegen das den Parteien am 22.1.2008 zugestellte Urteil will der Beklagte Berufung einlegen. Er erstrebt die Abweisung der Klage und hat hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung trägt er vor, das FamG habe zu Unrecht den Selbstbehalt des Beklagten um 25 % gekürzt, denn bei den engen finanziellen Verhältnissen des Beklagten und seiner Ehefrau ergebe sich auch bei einem Doppelhaushalt keine Einsparung in dieser Größenordnung ...

II. Dem Beklagten ist keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil die beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Satz 1 ZPO).

Das AG hat den Beklagten im Wesentlichen zu Recht nach §§ 1601 ff., 1612a BGB (in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung) zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts i.H.v. 100 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe nach § 1 der Regelbetragsverordnung verurteilt.

Der Einwand des Beklagten, er sei insgesamt nicht leistungsfähig, steht dem nicht entgegen. Für den eigenen und den Unterhalt eines minderjährigen unverheirateten Kindes sind die Eltern verpflichtet, alle verfügbaren Mittel gleichmäßig zu verwenden (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB). Obwohl die Leistungsfähigkeit als anspruchsbegründender Umstand an sich zur Klagebegründung gehören müsste, wollte der Gesetzgeber das Kind bis zur Höhe des Existenzminimums vollständig von der Darlegungs- und Beweislast freistellen (BGH FamRZ 2002, 536), weswegen - wie sich aus den §§ 1603 Abs. 1, 1581 BGB ergibt - die Beweislast hier umgekehrt ist. Der Unterhaltsschuldner, der geltend macht, er könne den Bedarf seines minderjährigen Kindes ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs nicht leisten, hat daher die Voraussetzungen einer begründeten Beschränkung substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (ständige Rspr.: BGH FamRZ 1998, 357; BVerfG, FamRZ 1992, 797; 1985, 143). Insbesondere bei der auf der besonderen familienrechtlichen Verantwortung gegenüber minderjährigen Kindern beruhenden gesteigerten Leistungsverpflichtung nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB sind hieran hohe Anforderungen zu stellen.

1. ...

2. Das Einkommen des Beklagten reicht aus, um den notwendigen Selbstbehalt des Beklagten und den bis einschließlich Januar 2008 geltend gemachten Kindesunterhalt zu decken. ...

d) Das bereinigte Nettoeinkommen des Beklagten von 1.011,22 EUR bzw. ab Juli 2007 i.H.v. 1.008,75 EUR reicht aus, um unter Wahrung eines hier im Ergebnis 730 EUR betragenden Selbstbehalts des Beklagten von Januar bis Juni 2007 den vom FamG ausgeurteilten Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 247 EUR und von Juli 2007 bis Januar 2008 i.H.v. 245 EUR (= 100 % des Regelbetrages der zweiten Altersstufe) leisten zu können.

aa) Die vom AG offen gelassene Frage, ob zugunsten des Beklagten der notwendige Selbstbehalt für Erwerbstätige oder Nichterwerbstätige in Ansatz zu bringen ist, hat der BGH inzwischen zumindest im Grundsatz entschieden. Im Urteil vom 9.1.200...

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