Leitsatz (amtlich)

Führen mehrere nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB mögliche Abstammungsstatute zu unterschiedlichen Ergebnissen, entscheidet das Günstigkeitsprinzip. Bei dessen Anwendung ist auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Geburtenregister abzustellen. Bei der Eintragung in das Geburtenregister ist einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung der Vorrang vor einer nach ausländischem Recht bestehenden Vaterschaft des geschiedenen Ehemanns einzuräumen.

 

Verfahrensgang

AG Heidelberg (Beschluss vom 04.07.2014)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 gegen den Beschluss des AG Heidelberg vom 4.7.2014 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Kindesmutter und der Beteiligte zu 3 schlossen am 31.12.1993 in Lądek-Zdrój (Bad Landeck), Republik Polen die Ehe. Diese wurde durch am 26.9.2013 rechtskräftig gewordenes Urteil des Bezirksgerichts Šwidnica (Schweidnitz), Republik Polen vom 4.9.2013 geschieden. Die Kindesmutter und der Beteiligte zu 3 sind polnische Staatsangehörige. Beide haben erklärt, seit ca. neun Jahren keinen Kontakt mehr miteinander gehabt zu haben. Nach Angaben der Kindesmutter zog sie zusammen mit dem Beteiligten zu 4 vor ca. drei Jahren nach Deutschland. Der Beteiligte zu 4 ist deutscher Staatsangehöriger.

Am 16.12.2013 gebar die Kindesmutter einen Jungen, der nach der am 29.7.2014 ausgestellten Geburtsurkunde den Namen M. P. K. trägt.

Die von den Beteiligten zu 2 und 4 unterschriebene Geburtsanmeldung führt im Vordruckfeld neben der Kindesmutter mit dem Zusatz "geschieden" den Beteiligten zu 4 im Feld "Vater" mit dem Zusatz "nie verheiratet gewesen" auf. Als Familienname des Kindes ist der Familienname des Beteiligten zu 4 angegeben. In der Geburtsanzeige durch die Klinik waren bei den Angaben zum Vater die Daten des Beteiligten zu 4 genannt. Diese wurden jedoch handschriftlich abgeändert und stattdessen durch die Daten des Beteiligten zu 3 ersetzt.

Am 14.1.2014 wurde beim Jugendamt des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis eine "Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft mit Zustimmungserklärung nach § 1595 Abs. 1 BGB" durch die Beteiligten zu 2 und 4 errichtet.

In den Akten befindet sich ein auf den 30.1.2014 datierender Bearbeitungsvermerk über die Beurkundung "mit Ehemann Kind ohne Vornamen mit Fam. Name "K.". Vater über Möglichkeit der Anfechtung informiert". Der unter dem 4.2.2014 erfolgte Eintrag in das Geburtenregister des Standesamtes Heidelberg, Registernummer G 515/2014 führt als Vater "Familienname K ... Vorname(n) W. B." auf.

Am 7.4.2014 beantragte die Kindesmutter die gerichtliche Berichtigung des Personenstandseintrags im Geburtenbuch G .../2014 dahingehend, dass im urkundlichen Teil der Beteiligte zu 4 eingetragen wird. Die Beteiligten zu 5 und 6 traten dem entgegen. Sie beriefen sich darauf, dass nach polnischem Recht der Ehemann als Vater vermutet werde, wenn das Kind während der Ehe oder - wie hier - vor Ablauf von 300 Tagen nach Beendigung der Ehe geboren worden sei. Im Hinblick auf Art. 19 EGBGB sei entscheidend, dass es zum Zeitpunkt der Geburt nur einen Vater gegeben habe, nämlich nach polnischem Recht den Beteiligten zu 3.

Durch Beschluss vom 4.7.2014 hat das AG Heidelberg das Standesamt gem. § 49 Abs. 2 Satz 1 PStG angehalten, den Eintrag in dem Geburtenbuch G .../2014 dahingehend zu berichtigen, dass bei den Personenstandsdaten im urkundlichen Teil beim Vater Vorname und Nachname des Beteiligten zu 4 eingetragen werden. Es hat dies damit begründet, dass bei den verschiedenen Anknüpfungsmöglichkeiten des Art. 19 Abs. 1 EGBGB das Aufenthaltsstatut vorgehe und deshalb deutsches Sachrecht zur Anwendung komme, wonach der Beteiligte zu 4 durch Anerkennung der Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 2 BGB Vater des Beteiligten zu 1 geworden sei.

Gegen den den Beteiligten zu 5 und 6 am 10.7.2014 zugestellten Beschluss haben diese am 5.8.2014 Beschwerde eingelegt. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die Akte AG Heidelberg, 46 F 15/14 wurde beigezogen.

II.1. Die Beschwerde ist zulässig.

Die Beschwerde ist gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG, § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Die Beteiligten zu 5 und 6 sind nach § 53 Abs. 2 PStG beschwerdeberechtigt. Auch im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.

2. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

a) Das AG hat zutreffend seine internationale Zuständigkeit zur Entscheidung des vorliegenden Falles angenommen. Diese ist gegeben, weil eine Eintragung im deutschen Geburtenbuch betroffen ist; die internationale Zuständigkeit folgt aus der örtlichen Zuständigkeit. Aus der internationalen Zuständigkeit ergibt sich die Anwendung des deutschen Verfahrensrechts (Senat, Beschl. v. 9.4.2014 - 11 Wx 100/12, FamRZ 2014, 1561; OLG Hamm FamRZ 2014, 1559, 1560; OLG Hamm, FamRZ 2009, 126, 127; BayObLG FamRZ 2002, 686).

b) Das Standesamt wurde durch das AG zu Recht gem. § 49 PStG angewiesen, die von der Bet...

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