Leitsatz (amtlich)

1. Wird nach rechtskräftiger Scheidung nur nach ausländischem Recht der geschiedene Ehemann als Vater vermutet und hat ein anderer Mann vor Eintrag ins Geburtenregister die Vaterschaft wirksam anerkannt, so gilt für den Eintrag des Vaters des Kindes in das Geburtenregister das sog. Günstigkeitsprinzip, das am Kindeswohl ausgerichtet ist.

2. Die Bestimmung des Kindeswohls ist stets Einzelfall bezogen, so dass nicht zwingend auf diejenige Rechtsordnung abzustellen ist, die dem Kind zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Geburt) einen Vater zuordnet.

 

Normenkette

EGBGB Art. 19-20; PStG § 21; PStV § 35; BGB §§ 1594, 1599

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Beschluss vom 12.09.2016; Aktenzeichen 300 UR 11 28/16)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.06.2018; Aktenzeichen XII ZB 369/17)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des AG Augsburg vom 12.09.2016 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen

 

Gründe

I.1. Die Beteiligten zu1) und 2) wurden am 11.04.2016 geboren. Die Mutter der Kinder, Frau R. B., besitzt sowohl die deutsche wie auch die rumänische Staatsangehörigkeit. Sie wurde mit rechtskräftigem Urteil des AG Augsburg am 16.02.2016 von ihrem früheren Ehemann C.. Ba., der ausschließlich rumänischer Staatsangehöriger ist, geschieden. Der leibliche Vater der Kinder ist Herr V. Ba., der ebenfalls ausschließlich nur die rumänische Staatsangehörigkeit besitzt und am 21.04.2016 vor dem Standesamt Augsburg die Vaterschaft bezüglich der Beteiligten zu 1) und 2) anerkannt hat. Die Mutter der Kinder stimmte jeweils in gleicher Urkunde dieser Vaterschaftsanerkennung zu. Der geschiedene Ehemann C.. Bo ... stimmte am 21.05.2016 den Vaterschaftsanerkennungen des V.. Ba. zu. Die Beteiligten erwarben gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 StAG von ihrer Mutter auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Geburt der Kinder ist bislang noch nicht beurkundet.

2. Der Wunsch der Beteiligten geht dahin, sogleich V. Ba. als Vater der Kinder ins Geburtenregister einzutragen. Das Standesamt hat gemäß § 49 Absatz 2 PStG die Frage zur Entscheidung dem AG Augsburg vorgelegt.

3. Das AG Augsburg hat mit Beschluss vom 12.09.2016 festgestellt, dass der anerkennende Vater, Herr V. Ba., in das Geburtenregister als Vater der Beteiligten zu 1) und 2) einzutragen sei. Das AG hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die väterliche Abstammung der Kinder gemäß Art. 19 EGBGB sowohl nach deutschem wie rumänischen Recht beurteilt werde könne. Nach dem Günstigkeitsprinzip sei die Rechtsordnung maßgebend, die dem Kind schnellstmöglich zum wahren Vater verhelfe. Hier sei vor Beurkundung ein anerkennungswilliger Vater vorhanden. Daher sei die Abstammung nach deutschem Rechts zu beurteilen und V. Ba. als Vater einzutragen. Gegen diesen Beschluss hat die Standesamtsaufsichtsbehörde für das Standesamt Augsburg gemäß § 53 Absatz 2 PStG Beschwerde eingelegt.

II. Die zulässige Beschwerde führt zur Bestätigung der Entscheidung des AG. Zutreffend ist das AG zum Ergebnis gelangt, dass der Anerkennende als Vater der Kinder ins Geburtenregistereinzutragen ist und nicht der geschiedene Ehemann der Mutter der Kinder.

Kommt in Deutschland ein Kind nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe seiner Mutter zur Welt, so kann nach deutschem Recht (Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes) das Kind von demjenigen, der sich für den Vater des Kindes hält, anerkannt werden. § 1594 Absatz 2 BGB steht dem nicht entgegen, da nach deutschem Recht die Vaterschaft des geschiedenen Ehemannes der Mutter nicht mehr vermutet wird (arg. § 1593 BGB). § 1594 Absatz 2 BGB könnte jedoch einer Anerkennung entgegenstehen, wenn nach dem Recht des Staates, dem der geschiedene Ehemann angehört, dieser als Vater vermutet wird (Art. 19 Absatz 1 S 2 EGBGB). Da die Feststellung der Abstammung nach dem Heimatrecht des geschiedenen Ehemanns der Feststellung der Abstammung nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes gleichrangig ist, muss dann, wenn die beiden Abstammungsstatute unterschiedliche Männer als Vater des Kindes bezeichnen, einem der beiden Anknüpfungen der Vorrang eingeräumt werden.

1. Nach dem Günstigkeitsprinzip verdient dabei dasjenige Recht den Vorzug, das für das Kind "günstiger" ist (BayObLG FamRZ 2002, 686 = IPRax 2002, 405; OLG Schleswig FamRZ 2003, 781). Als günstiger gilt dabei dasjenige Recht, das dem Kind zu einem Vater verhilft, gegenüber einem Recht, welches das Kind ohne Vater lässt, da es für das Kind, insbesondere auch zur Sicherung seines Unterhalts, günstiger ist, einen Vater zu haben, als vaterlos zu sein (BayObLG a.a.O.; OLG Frankfurt FamRZ 2002, 688).

a) Nach Auffassung des BayObLG (BayObLG FamRZ 2002, 686, [687] = IPRax 2002, 405, [407], die von weiten Teilen der Rechtsprechung und der Literatur übernommen wurde (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 688. OLG Schleswig FamRZ 2003, 781; OLG München FamRZ 2012, 1503; Klinkhardt in: MüKo BGB, Internationales Privatrecht, 5. Auflage [2010] Art. 19 EGBGB Rn 15) ist dabei auf das Recht abzustellen, das dem Kind zu...

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