Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 23.02.1995; Aktenzeichen 3 O 315/94)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung ihres Rechtsmittels im übrigen das am 23. Februar 1995 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn teilweise abgeändert und so neu gefaßt:

Das am 17. November 1994 verkündete Versäumnisurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird aufrechterhalten, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 14.641,– DM nebst 7,5 % Zinsen

von 13.310,– DM

für die Zeit vom 29. Juni 1994 bis zum 30. Juni 1994,

von 13.642,75 DM

für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Juli 1994,

von 13.975,75 DM

für die Zeit vom 1. August 1994 bis zum 31. August 1994,

von 14.308,50 DM

für die Zeit vom 1. September 1994 bis zum 30. September 1994

und von 14.641,– DM

für die Zeit seit dem 1. Oktober 1994

sowie 332,75 DM

monatlich seit dem 1. November 1994 zu zahlen.

Mit seinem weitergehenden Hauptanspruch wird der Kläger abgewiesen.

Soweit der Kläger mit seinem in dieser Instanz erhobenen Hilfsanspruch Unterhaltsforderungen geltend macht, wird der Rechtsstreit auf seinen Antrag an das Amtsgericht in Brakel verwiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten, die infolge ihrer Säumnis im Termin vom 17. November 1994 vor dem Landgericht Paderborn entstanden sind. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 53 %, die Beklagte 47 %.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagte in Höhe von 28.616,50 DM, den Kläger in Höhe von 32.508 DM.

 

Gründe

Die Klage ist nur insoweit begründet, als der Kläger für die Zeit ab Ende 29. Juni 1994 von der Beklagten monatlich 332,75 DM fordert. Die Verpflichtung, seinen Eltern auf dem Grundstück … in … Wohnung zu gewähren und sie „zu pflegen und zu hegen”, die der Bruder der Beklagten beim Erwerb dieses Grundstücks von seinem Vater mit dem Vertrag vom 13. Juni 1970 übernommen hat, sind erloschen, und damit kann die Beklagte ihren Bruder von diesen Verbindlichkeiten nicht freistellen, wie sie es ihm beim Erwerb jenes Grundstücks durch Vertrag vom 14. Oktober 1975 versprochen hat. Statt der Unterbringung ihrer und ihres Bruders Eltern und statt deren Pflege schuldet die Beklagte eine Geldzahlung nicht nach § 323 BGB (a), auch nicht nach Art. 15 § 9 Abs. 3 PrAGBGB, des Preußischen Ausführungsgesetzes zum BGB, (b) oder den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (c), und nach § 324 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet sie zwar eine Ausgleichszahlung dafür, daß sie über die von dem Wohnrecht ihrer Eltern erfaßten Räume jetzt verfügen kann, nicht aber auch für die ersparten Leistungen zur Pflege und zur Versorgung ihrer Eltern (d).

a) Die Freistellungspflicht, welche die Beklagte mit dem Vertrag vom 14. Oktober 1975 übernommen hat, besteht nach § 275 BGB nicht mehr; nach dem Vortrag des Klägers selbst sind nämlich die mit Vertrag vom 13. Juni 1970 begründeten Pflichten des Bruders der Beklagten, des Herrn …, seinen Eltern Wohnung zu gewähren und sie zu versorgen, nach dieser Regelung erloschen. Nach diesem Vortrag konnte die Mutter der Beklagten ab Mitte 1990 aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes nur noch in einem Pflegeheim leben, und damit war es, nachdem ihr Vater schon zuvor gestorben war, auch dem Bruder der Beklagten unmöglich geworden, die mit dem Vertrag vom 13. Juni 1970 übernommenen Pflichten zu erfüllen. Nach § 324 BGB ist der Bruder der Beklagten nicht verpflichtet, die ihm mit dem Rechtsgeschäft vom 13. Juni 1970 zugewandte Leistung, also das Grundstück … in … ganz oder teilweise zurückzugeben, auch nicht etwa nach § 323 Abs. 3 BGB in Form eines finanziellen Beitrages zu den Kosten für die Heimunterbringung seiner Mutter, und damit hat die Beklagte ihn nicht etwa von einer solchen Pflicht aufgrund des Vertrages vom 14. Oktober 1975 freizustellen; denn der Vertrag vom 13. Juni 1970 ist – entsprechend der Rechtsprechung des Senats zu vergleichbaren Fällen (s. Urteil vom 22. November 1993 in der Sache 22 U 39/93) – dahin auszulegen, der Übertragsgeber übernehme das Risiko, daß der Erwerber die von ihm versprochenen Leistungen, nämlich eine Wohnung zu gewähren und den Veräußerer sowie dessen Frau zu pflegen, auf dem ihm übertragenen Grundstück erfüllen könne, dies mit der Folge, daß die Erfüllungspflichten des Übertragsnehmers erlöschen, wenn diese Voraussetzung nicht mehr vorliegt (s. dazu auch BGH NJW 1980, 700): Den Partnern des Vertrages vom 13. Juni 1970 war – das muß bei vernünftiger Betrachtung als selbstverständlich angenommen werden – bei Abschluß dieses Rechtsgeschäfts bewußt, daß der Übertragsgeber oder seine Frau als Berechtigte des Wohn- und Versorgungsrechts möglicherweise vor ihrem Tod eine längere Zeitspanne zu durchleben hatten, in der sie infolge schwerster Gebrechlichkeit nicht auf dem übertragenen Grundstück und nicht von dem in der Kranken- und Altenpflege nicht geschulten Übertragsnehmer versorgt werden konnten. Gleichwohl sieht jener Vertrag nur solche Leistungen des Übertragsnehme...

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