Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung: Gentest, Eisenmangel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Befund eines genetischen Defekts unterliegt nach der "Freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung des GDV" nur dann einem Verwertungsverbot, wenn der Befund durch einen prädiktiven Test (Gen- oder Bluttest) erhoben worden ist. Sinn und Zweck der "Freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung des GDV" ist es nicht, seitens der Versicherer auf die Offenlegung bereits bestehender Erkrankungen (mögen sie auch genetisch bedingt sein) zu verzichten.

Von einem prädiktiven Test (Gen- oder Bluttest) ist nur dann auszugehen, wenn dieser der Feststellung erblicher Veranlagungen für noch nicht klinisch manifestierte Erkrankungen dient. Demgegenüber liegt ein diagnostischer Test (Gen- oder Bluttest) dann vor, wenn mit diesem nach einer genetischen Ursache für eine bereits bestehende, klinisch manifestierte Krankheit gesucht wird.

2. Die - trotz entsprechender Frage des Versicherers im Antragsformular - Nichtangabe von vier ärztlichen Behandlungen wegen Eisenmangel innerhalb von rd. 2 Jahren berechtigt den Versicherer - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - zum Rücktritt vom Vertrag nach §§ 16 Abs. 2, 20 VVG. Die Gefahrerheblichkeit des Eisenmangels liegt in einem solchen Fall auf der Hand.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 14.02.2007; Aktenzeichen 25 O 105/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.2.2007 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird - insgesamt - abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten (hauptsächlich) um den Bestand eines Krankenversicherungsvertrages betreffend die Ehefrau des Klägers (Versicherte). Darüber hinaus begehrt der Kläger Rückzahlung gezahlter Prämien (2.420,46 EUR), Erstattung einer Arztrechnung (205,94 EUR) sowie Freistellung von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten (305,95 EUR).

Der Kläger unterhält bereits seit dem 1.5.1999 bei der Beklagten eine private Krankenversicherung. Im Februar 2004 beantragten er und die Versicherte die Erweiterung der bestehenden Versicherung auf die Versicherte und auf zwei Kinder (Zwillinge, geb. am ... 2003). Nahezu alle Gesundheitsfragen im Antragsformular wurden verneint. Angegeben wurde aber die Schwangerschaft, die Entbindung per Kaiserschnitt sowie eine Nasenkorrektur.

Unstreitig hatte die Versicherte ab 1999 die Ärztin Dr. F aufgesucht und wurde dort auch wegen Eisenmangel behandelt. Unstreitig besteht bei der Versicherten auch eine Thalassämia minor. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung der roten Blutkörperchen, die auf einem Gendefekt beruht. Diese Erkrankung wurde aufgrund einer Blutuntersuchung festgestellt als die Versicherte im Alter von 12 Jahren wegen Darmproblemen im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Versicherten wurde im Krankenhaus mitgeteilt, dass diese Erkrankung bei ihr aller Wahrscheinlichkeit nach nicht behandlungsbedürftig sei. Eine Behandlung wegen der Thalassämia minor hat bislang nicht stattgefunden.

Von beiden Umständen (Thalassämia minor und Behandlung wegen des Eisenmangels) erfuhr die Beklagte aus Anlass einer vom Kläger zur Erstattung eingereichten Rechnung von Dr. F vom 22.4.2004. Mit Schreiben vom 26.7.2004 trat die Beklagte vom Vertrag (in Bezug auf die Versicherte) zurück, bot dem Kläger aber an, den Vertrag mit einem Aufschlag i.H.v. 115,26 EUR weiterzuführen. Dieses Angebot nahm der Kläger unter Vorbehalt an (und zahlt seit dem diesen Aufschlag).

Nach einer Selbstverpflichtungserklärung (Bl. 73 ff. d.A.) des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (zu dem auch die Beklagte gehört) haben sich die Versicherungsunternehmen verpflichtet, die Durchführung von prädikativen Gentests nicht zur Voraussetzung eines Vertragsabschlusses (in der Krankenversicherung) zu machen. Auch die Vorlage freiwillig durchgeführter prädiktiver Gentests soll nicht verlangt werden. In diesem Umfang verzichten die Versicherer auch auf die vorvertragliche Anzeigepflicht gefahrerheblicher Umstände.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass weder die Behandlungen wegen Eisenmangel noch die Thalassämia minor die Beklagte berechtigten, vom Vertrag zurückzutreten.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass der bei der Beklagten unterhaltene Krankenversicherungsvertrag, Nr. 0039/07 440 479 E 00, mit der zum 1.3.2004 festgesetzten Versicherungsprämie i.H.v. monatlich 641,02 EUR fortbesteht - zzgl. für die ursprüngliche Versicherungsgruppe seitdem erfolgter ordnungsgemäßer Erhöhungen - und der Rücktritt der Beklagten vom 26.7.2004 unwirksam ist,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.420,46 EUR zu zahlen, nebst Zinsen aus 115,26 EUR seit dem 1.9.2004, sowie aus monatlich jeweils weiteren 115,26 EUR für den Zeitraum von Oktober 2004 bis Mai 2006, fällig ab dem 01. eines jeden Monats,

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 205,94 EUR zu zahlen, nebst Zinsen i.H.v. 5 Pro...

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