Leitsatz (amtlich)

Der in Unfallversicherungsbedingungen enthaltene Ausschlusstatbestand, wonach "Gesundheitsschäden durch krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen" nicht versichert sind, gilt zwar nicht für organische Schädigungen, die ihrerseits zu einem psychischen Leiden führen. Deshalb sind krankhafte Störungen, die eine organische Ursache haben, nicht vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, auch wenn im Einzelfall das Ausmaß, in dem sich die organische Ursache auswirkt, von der psychischen Verarbeitung durch den Versicherungsnehmer abhängt. Jedoch greift die Ausschlussklausel im Fall einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich allein in Angst vor dem Auto- und Busfahren äußert, weil es sich hierbei um eine rein psychische Reaktion auf den Unfall als belastendes Ereignis und nicht um die Folge erlittener organischer Schädigungen handelt.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 18.05.2010; Aktenzeichen 6 O 536/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.5.2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Bielefeld wird zurückgewiesen.

Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(ohne Tatbestand gem. § 313a Abs. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LG die Klage abgewiesen. Denn dem Kläger steht kein Entschädigungsanspruch aus der bei der Beklagten bestehenden Unfallversicherung zu.

I. Es kann letztlich nicht festgestellt werden, dass die zum Unfallzeitpunkt mitversicherte frühere Ehefrau des Klägers, Frau S, durch den Unfall vom 17.3.2006 in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit dauerhaft i.S.d. § 17 der Versicherungsbedingungen zum B-Unfallschutz beeinträchtigt ist.

Anspruchsvoraussetzung für die geltend gemachte Invaliditätsentschädigung ist ein unfallbedingter Primärschaden sowie eine hierauf beruhende dauernde Gesundheitsbeeinträchtigung, wobei für den Beweis der Kausalität zwischen dem (nach § 286 ZPO zu beweisenden) unfallbedingten ersten Gesundheitsschaden und der (ebenfalls nach § 286 ZPO zu beweisenden) Invalidität der Maßstab des § 287 ZPO gilt (vgl. BGH, Urt. v. 13.5.2009 - IV ZR 211/05, Zitat nach juris = VersR 2009, 1213 m.w.N.). Der Kläger behauptet hierzu, seine frühere Ehefrau habe durch das Unfallereignis vom 17.3.2006 ein posttraumatisches HWS-Syndrom, in dessen Folge sie an chronifizierten posttraumatischen Cephalgien (Kopfschmerzen) leide, sowie eine posttraumatische Belastungsstörung, die sich in Angst vor dem Auto- und Busfahren äußere, erlitten. Nach den überzeugenden Feststellungen des dem Senat als fachkundig und gewissenhaft bekannten Sachverständigen Prof. Dr. S3 ist die aus Anlass des Unfalls wohl erlittene leichte HWS-Distorsion jedoch in der Zwischenzeit folgenlos ausgeheilt, und sind die aktuell beklagten Kopfschmerzen mit Sicherheit nicht auf das Unfallereignis, sondern am ehesten auf vorhandene degenerative Veränderungen im Bereich der HWS sowie eine Rotatorenmanschettenendopathie der linken Schulter zurückzuführen (nachfolgend Ziff. 1.). Was die behauptete posttraumatische Belastungsstörung anbelangt, unterfällt diese schon nicht dem versicherten Risiko (nachfolgende Ziff. 2.).

1. Auf der Grundlage des von dem Sachverständigen Prof. Dr. S3 erstatteten Gutachtens ist festzustellen, dass die frühere Ehefrau des Klägers durch den Unfall allenfalls eine leichte HWS-Distorsion in Form einer Überdehnung von Strukturen im Sinne einer Zerrung erlitten hat, die - ohne einen Dauerschaden zu hinterlassen - in der Zwischenzeit folgenlos ausgeheilt ist. Überzeugend hat der Sachverständige erläutert, dass weder aufgrund der Befunderhebung am Unfalltag noch der im Folgenden durchgeführten Diagnostik einschließlich der späteren Kernspintomographie irgendwelche verifizierbaren Anzeichen für strukturelle Verletzungen der HWS, d.h. für eine Zerreißung von Gewebe oder Knochenbrüche erkennbar sind. Angesichts der fehlenden Anhaltspunkte für strukturelle Verletzungen kann es aus objektiv-medizinischer Sicht deshalb allenfalls zu einer - im Röntgen nicht darstellbaren - leichten Weichteilverletzung in Form einer Überdehnung von Strukturen im Sinne einer Distorsion bzw. Zerrung gekommen sein, die nach den weiteren, insbesondere auf die von ihm durchgeführte Untersuchung der Betroffenen gestützten Feststellungen des Sachverständigen aber inzwischen vollständig und folgenlos ausgeheilt ist.

Wie der Sachverständige weiter überzeugend erläutert hat, ist es zugleich ausgeschlossen, dass die aktuell beklagten Beschwerden in Form chronifizierter posttraumatischer Cephalgien (Kopfschmerzen) auf den Unfall, insbesondere auf die (allenfalls erlittene) leichte HWS-Distorsion zurückzuführen sind. Zwar seien Kopfschmerzen im Zusammenhang mit einer HWS-Zerrung ein durchaus häufiges Symptom, da eine entsprechende Zerrung einen sog. Muskelspannungskopfschmerz hervorrufen könne. Dieser Muskelspannungskopfschmerz verschwindet nach den überzeugenden Erläuterun...

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