Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 28.04.1995; Aktenzeichen 3 O 48/95)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28. April 1995 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 18.000,00 DM.

 

Tatbestand

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 4 ZPO abgesehen.)

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Sie hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie nicht bewiesen hat, daß die gescheiterte Durchsetzung des mit der Firma U. (im folgenden als Firma U. bezeichnet) geschlossenen Abfindungsvergleich über 18.000,00 DM auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten beruhte.

I.

Kraft Anwaltsvertrages ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandates nach allen Richtungen und umfassend wahrzunehmen. Er muß sein Verhalten so einrichten, daß er Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermeidet. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist. Über mögliche Risiken hat er aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann (BGH NJW 1995, 449, 451; NJW 1994, 1211, 1212; NJW 1993, 1320, 1322). Welche konkreten Pflichten aus diesen allgemeinen Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Falles (BGH NJW 1988, 1080, 1081; NJW 1995, 52).

1.

Der Beklagte oder der bei ihm angestellte Zeuge W. haben gegenüber der Klägerin bestehende anwaltliche Pflichten nicht dadurch verletzt, daß sie mit der Firma U. keine außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen über eine Abfindung der Klägerin aufgenommen und der Klägerin zu einer solchen Maßnahme nicht geraten haben.

a)

Entgegen der jetzigen Ansicht der Klägerin wäre dies nicht sachgerecht gewesen. Zwar muß davon ausgegangen werden, daß die Klägerin bereits frühzeitig vornehmlich an der Erhöhung der ihr nach dem Sozialplan zustehenden Abfindung und nicht so sehr an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes interessiert war. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung durch den Senat im Termin vom 15. Februar 1996 nachvollziehbar dargelegt, daß sie sich rasch um eine neue Arbeitsstelle bemüht hat. Auch der Beklagte hat schon erstinstanzlich vorgetragen, die Klägerin habe bereits am 04. Mai 1994 mitgeteilt, daß sie einen Arbeitsplatz bei einer anderen Arbeitgeberin in Aussicht habe. Für eine grundsätzliche außergerichtliche Vergleichsbereitschaft der Firma U. sprach zudem, daß eine Frau …, eine weitere Mandantin des Beklagten, am 29. April 1994 mitgeteilt hatte, sie habe sich mit der Firma U. auf einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung geeinigt. Schließlich hatte das Arbeitsgericht im Rahmen der Kündigungsschutz klage der Klägerin gegen die Firma U. eine Güteverhandlung erst für den 26. Juli 1994 anberaumt.

Trotz dieser Umstände wäre der Eintritt in Vergleichsverhandlungen mit der Firma U. schon vor der Güteverhandlung aus der damaligen Sicht des Beklagten nicht interessengerecht gewesen. Ein Rechtsanwalt kann insoweit grundsätzlich bis zum gerichtlichen Termin abwarten. Nimmt er zuvor Verhandlungen auf, so läuft er Gefahr, daß sich bei einem Scheitern die Fronten verhärten und dann auch eine Einigung vor Gericht kaum mehr in Betracht kommt. Ein gerichtlicher Vergleich ist meistens einfacher zu erzielen als ein außergerichtlicher Vergleich. Denn das Gericht kann als neutrale Instanz für beide Seiten interessengerechte Vorschläge machen und bei der Überwindung festgefahrener Positionen behilflich sein.

Gerade im Falle von Kündigungsschutzklagen aufgrund betriebsbedingter Kündigung lassen sich Arbeitgeber erfahrungsgemäß häufig durch den gerichtlichen Hinweis beeindrucken, daß sie die Kündigung rechtfertigende dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG im einzelnen darlegen und beweisen müssen und daß dabei auch die Offenlegung von Betriebsinterna notwendig werden kann. Dagegen befindet sich ein Arbeitnehmer, der eine Abfindung im Vorfeld eines Gerichtstermins aushandeln will, grundsätzlich in einer ungünstigeren Position. Diese allgemeine Einschätzung hat für den konkreten Fall der Klägerin die Vernehmung des Zeugen D. im Senatstermin vom 15. Februar 1996 bestätigt. Er hat ausgesagt, daß die Firma U. außergerichtlich nur zur Zahlung eines geringen Betrages bereit gewesen wäre. Die Höhe des gerichtlichen Vergleiches beruhte auf einem Vorschlag des Arbeitsgerichts, der einer Berechnung folgte, die das Arbeitsgericht schon zuvor in ähnlich gelagerten Fällen verwandt hatte. Der Zeuge D. hat klargestellt, daß sich die Firma U. au...

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