Leitsatz (amtlich)

Einem Bahnreisenden stehen nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gegen ein Infrastrukturunternehmen der DB zu, mit dem der Reisende keinen Beförderungsvertrag abgeschlossen hat. § 1 HPflG eröffnet keine Haftung der Eisenbahn, wenn ein Reisender auf dem Weg zum Taxistand beim Verlassen des Bahnsteigs infolge Glätte zu Fall kommt. Einen deliktischen Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verkehrssicherungspflichtverletzung kann der Reisende nicht durchsetzen, wenn ihm der Nachweis misslingt, dass auf dem Bahnhofsgelände keine hinreichenden Streumaßnahmen durchgeführt wurden. Den Nachweis der Pflichtverletzung selbst erleichtert kein Anscheinsbeweis.

 

Normenkette

BGB §§ 241, 280, 823 I, § 831 I; HPflG § 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 400/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 6. März 2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagten vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten wegen eines Glatteisunfalls, den er nach seinem Behaupten am 07.01.2017 auf dem Bahnhofsgelände in N erlitten haben will, aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung als Gesamtschuldner auf Zahlung eines angemessenen, seiner Vorstellung nach sich zumindest auf den Betrag von 10.000,- EUR belaufenden Schmerzensgeldes, Ersatz eigener unfallbedingter materieller Schäden in Höhe von 745,48 EUR sowie aus abgetretenem Recht der L GmbH auf weiteren Schadenersatz in Höhe von 15.745,71 EUR in Anspruch. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle ihm zukünftig noch aus dem Unfallereignis entstehenden materiellen und immateriellen Schäden.

Die Beklagte zu 1.) unterhält als Infrastrukturunternehmen den Bahnhof in N und ist für diesen unstreitig verkehrssicherungspflichtig. Sie hat die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Winterdienstes auf dem Bahnhofsgelände auf die Beklagte zu 2.) übertragen, wobei sie dieser allerdings genaue Vorgaben dazu gemacht, welche Flächen auf dem Bahnhofgelände winterdienstlich zu behandeln sind. Die Beklagte 2.) entscheidet, wann auf diesen Flächen Winterdienstmaßnahmen durchgeführt werden. Mit der eigentlichen Durchführung der Winterdienstmaßnahmen hat sie ihrerseits die Beklagte zu 3.) beauftragt.

Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, am 07.01.2017 gegen 20:30 Uhr beim Verlassen des Bahnhofsgeländes noch unter dem überdachten Bereich des Bahnsteiges des Gleises 11 auf dem Weg zu zwei auf dem Bahnhofsvorplatz auf ihn und seine Familie wartenden Taxis infolge Glatteis gestürzt zu sein. Er sei kurz vor dem auf den Lichtbildern der Anlage zur Klageschrift zu sehenden Gullideckel an der dort jeweils mit einem Kreuz gekennzeichneten Stelle gestürzt. Zum Unfallzeitpunkt habe eine allgemeine Glättebildung vorgelegen. Der betreffende Bereich sei nicht winterdienstlich behandelt, insbesondere nicht mit Splitt oder Salz abgestreut gewesen, obgleich bereits am Morgen des Unfalltages laut der örtlichen Presse vom Deutschen Wetterdienst für den Lauf des Tages vor Eisregen gewarnt worden sei. Infolge des Sturzes habe er eine distale Radiusfraktur des rechten Handgelenks erlitten, die operativ habe versorgt werden müssen. Er sei wegen des Unfalls bis zum 25.05.2017 arbeitsunfähig krank gewesen und habe seine Geschäftsführertätigkeit in der Fa. L GmbH bis auf wenige Restarbeiten nicht ausüben können, weshalb die Firma auf die Einstellung von Ersatzkräften angewiesen gewesen sei. Für die von ihm unfallbedingt erlittenen Verletzungen und Verletzungsfolgen hat der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- EUR für angemessen erachtet. Ferner hat er behauptet, dass ihm durch den Unfall für Zuzahlungen und Fahrten zur stationären und ambulanten Heilbehandlung Kosten in Höhe von insgesamt 745,48 EUR entstanden sein. Darüber hinaus hat der Kläger aus abgetretenem Recht der Fa. L GmbH Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 15.745,71 EUR begehrt mit dem Behaupten, dass der Firma L GmbH wegen seines unfallbedingten Ausfalls in dieser Höhe Aufwendungen für Lohnfortzahlung und Aushilfskräfte sowie von Drittfirmen berechnete Verladekosten entstanden sein.

Die Beklagte zu 1.) bis 3.) haben den streitgegenständlichen Unfall nach Hergang, Ort, Ursachen und Folgen vollumfänglich bestritten. Die Beklagte zu 1.) hat darüber hinaus gemeint, dass die von ihr für den Winterdienst vorgegebenen Flächen dafür ausreichend gewesen sein, den Fahrgästen ein gefahrloses Begehen...

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