Leitsatz (amtlich)

1. Gegen die Annahme eines manipulierten Verkehrsunfalls kann es - wie hier - sprechen, dass sich das Fahrzeug des Unfallverursachers infolge des Passierens eines engen Kreisverkehrs und des Überfahrens einer Mittelinsel sowie wegen Straßenschäden bei der Kollision in einem instabilen Fahrvorgang befand, also eine zielgerichtete Kollision gerade nicht feststellbar ist.

2. Auf § 17 Abs. 3 StVG kann sich nicht berufen, wer mit einem Kaffeebecher in der Hand durch einen Kreisverkehr fährt und deshalb nicht beide Hände am Lenkrad hält.

3. Ein vom Geschädigten tatsächlich erzielter, über dem vom Sachverständigen ermittelten Restwert liegender Mehrerlös ist, damit der Geschädigte nicht an dem Unfall "verdient", zu berücksichtigen, wenn ihm - wie hier - keine überobligationsmäßigen Anstrengungen des Geschädigten zugrunde liegen, was der Schädiger zu beweisen hat (im Anschluss an BGH Urt. v. 7.12.2004 - VI ZR 119/04, r+s 2005, 124 Rn. 17; BGH Urt. v. 15.6.2010 - VI ZR 232/09, r+s 2010, 348 Rn. 10, 9).

4. Veräußert der Geschädigte das Unfallfahrzeug unter Zugrundelegung eines von ihm eingeholten Schadensgutachtens, muss er sich ein zeitlich nachfolgendes (überregionales) Restwertangebot des Haftpflichtversicherers nicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegenhalten lassen (im Anschluss an BGH Urt. v. 25.6.2019 - VI ZR 358/18, r+s 2019, 539 Rn. 10, 14).

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen I-3 O 288/17)

 

Tenor

Das Urteil ist rechtskräftig.

Auf die Berufung des Klägers wird das am 11.12.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum (3 O 288/17) - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 17.832,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2017 zu zahlen.

Die Beklagten werden weiter verurteilt, als Gesamtschuldner den Kläger von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100,51 EUR freizustellen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

(abgekürzt gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO)

Die zulässige Berufung des Klägers ist ganz überwiegend begründet.

I. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 StVG (i. V. m. § 115 VVG, soweit es die Beklagte zu 3) betrifft) in Höhe von 17.832,16 EUR nebst Zinsen zu.

1. Der Senat hegt keinerlei Zweifel daran, dass es am 27.07.2017 gegen 13:45 Uhr auf der Straße "A" ca. 300 m westlich der B-Straße in C zur Kollision zwischen dem geparkten klägerischen SUV Range Rover und dem vom Beklagten zu 1) geführten, von der Beklagten zu 2) gehaltenen und durch die Beklagte zu 3) haftpflichtversicherten Lkw - bestehend aus Zugmaschine und Auflieger - im Zuge des Vorbeifahrens gekommen ist. Beide Fahrzeuge befanden sich - wie die polizeiliche Unfallaufnahme unzweifelhaft belegt - beschädigt an Ort und Stelle, wobei der klägerische SUV nicht mehr fahrtauglich war.

Die vom Beklagten zu 1) abgegebene Schilderung des Unfallhergangs, auf die der für den äußeren Hergang der Rechtsgutverletzung darlegungs- und beweispflichtige Kläger angewiesen ist, da er beim Unfall nicht zugegeben war, passt den Feststellungen des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens zufolge zum Schadensbild. Der Sachverständige ist insoweit im Zuge der Schadensanalyse zu dem Ergebnis gekommen, dass der Lkw - plausibel bedingt durch das Passieren des engen Kreisverkehrs über die Mittelinsel und das Überfahren von Straßenschäden mit einem Kaffeebecher in der Hand - in einem instabilen Zustand gegen den SUV des Klägers gestoßen ist. Vor diesem Hintergrund ist der dem Kläger obliegende Beweis des äußeren Tatbestands der Rechtsgutverletzung zur Überzeugung des Senats nach dem Maßstab des § 286 ZPO geführt. Im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität steht damit ebenfalls fest, dass der Betrieb des von dem Beklagten zu 1) gesteuerten LKW in einer Weise auf das geschützte Rechtsgut - das Eigentum des Klägers - eingewirkt hat, die nachteilige Folgen auslösen kann.

2. Soweit die Beklagten zu 2) und 3) prozessual zulässig (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 22. Dezember 2020 - I-9 U 123/20 -, Rn. 4, juris) auf Rechtswidrigkeitsebene einwenden, der Kläger sei mit dieser Verletzung seines Rechtsguts einverstanden und der Unfall manipuliert gewesen, haben sie den Beweis dafür nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 01. Oktober 2019 - VI ZR 164/18 -, Rn. 7 ff., juris) nicht erbracht.

a. Zum Beweis einer behaupteten Einwilligung sind Indizien, also mittelbare Tatsachen, die geeignet sind, logische Rückschlüsse auf den unmittelbaren Beweistatbestand einer erteilten Einwilligung in die Eigentumsbeschädigung zu ziehen, darzulegen und nach dem Maßstab des § 286 Abs. 1 ZPO zu beweisen. Der Beweis der Unfallmanipulation i...

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