Verfahrensgang

LG Hagen (Urteil vom 28.08.2012; Aktenzeichen 6 O 329/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.8.2012 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Hagen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die T AG (Finanzierungsnummer.../..., Bankleitzahl...) 5.265 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.1.2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines behaupteten Pkw-Diebstahls aus einer Kaskoversicherung auf Zahlung an die finanzierende Bank in Anspruch. Die Beklagte bestreitet die Entwendung des Fahrzeugs, die der Kläger wegen diverser Falschangaben in der Schadenanzeige nicht über seine persönliche Anhörung beweisen könne. Insoweit sei sie auch wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers von ihrer Leistungspflicht befreit. Im Übrigen beruft sie sich im Hinblick auf die Aufbewahrung der Fahrzeugpapiere im Wagen sowie die Nichtanzeige eines Schlüsselverlustes auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls bzw. wegen Gefahrerhöhung.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im einzelnen sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Kläger im Wege seiner Anhörung sowie der Aussage der Zeugin X das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls bewiesen, ohne dass die Beklagte dem eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls entgegen halten könne. Auch sei dem Kläger eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls i.S.d. § 81 Abs. 2 VVG nicht nachzuweisen, weil nicht feststehe, dass die grob fahrlässige Nichtanzeige des Schlüsselverlustes bei der Polizei bzw. das Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen den Diebstahl des Wagens begünstigt habe.

Allerdings sei die Beklagte gem. §§ 23, 26 VVG leistungsfrei, weil der Kläger mit der Aufbewahrung der Fahrzeugpapiere im Wagen eine vorsätzliche Gefahrerhöhung i.S.d. § 23 Abs. 1 VVG vorgenommen und zudem mit der Nichtanzeige des Schlüsselverlustes zumindest grob fahrlässig i.S.d. § 23 Abs. 3 VVG gehandelt habe. Dabei hat sich das LG auf den Standpunkt gestellt, dass die Aufbewahrung der Fahrzeugpapiere im Wagen schon deshalb gefahrerhöhend wirke, weil der Besitz der Zulassungsbescheinigung das Wegschaffen und Veräußern des Fahrzeugs zumindest erleichtere und einen potentiellen Dieb so zur Entwendung motivieren könne. Es komme nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer die Papiere von vornherein oder erst nach Abschluss des Versicherungsvertrages im Fahrzeug deponiert habe. Da dem Kläger die Verwahrung der Papiere im Fahrzeug bewusst gewesen sei und er damit - auch ohne Erkennen der Gefahrerhöhung - vorsätzlich gehandelt habe, sei die Beklagte gem. §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 VVG von ihrer Leistungspflicht befreit.

Außerdem dürfe die Beklagte die Versicherungsleistung gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Halbs. 2 i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 2 1. Hs VVG vollständige kürzen, weil es der Kläger grob fahrlässig unterlassen habe, ihr gem. § 23 Abs. 3 VVG den Schlüsselverlust anzuzuzeigen. Trotz seiner eingeschränkten intellektuellen Fähigkeiten hätte der Kläger - zumindest mit Hilfe der Zeugnin X - nämlich erkennen können, dass die Gefahr eines Fahrzeugdiebstahls drohte, als der Schlüssel verschwunden war, zumal sein Bekannter Q ihn nach eigenem Vortrag bereits mehrfach bestohlen hatte und vermutlich auch wusste, wo die Fahrzeugpapiere waren.

Den Kausalitätsgegenbeweis nach § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG habe der Kläger nicht geführt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers. Er meint mit Verweis auf entsprechende obergerichtliche Rechtsprechung, die Aufbewahrung der Fahrzeugpapiere im Fahrzeug stelle schon keine Gefahrerhöhung i.S.d. § 23 Abs. 1 VVG dar, weil die Fahrzeugentwendung als solche durch die Papiere nicht und die Fahrzeugverwertung nur unwesentlich erleichtert werde. Zudem werde der Täter eines bloßen Fahrzeugaufbruchs durch den Fund der Papiere regelmäßig auch nicht zum spontanen Komplettdiebstahl motiviert, weil es solchen Tätern typischerweise um "schnelles Geld", nicht aber um die Verwertung eines Fahrzeugs gehe. Die Beklagte habe insoweit auch nicht den ihr obliegenden Beweis geführt, dass der Diebstahl auf dem Zurücklassen der Fahrzeugpapiere beruhte. Auch fehle es an einer vorsätzlichen Gefahrerhöhung seinerseits, weil er sich des angeblichen Entwendungsrisikos gar nicht bewusst gewesen sei.

Ebenso wenig sei der Verlust des Fahrzeugschlüssels als - gegenüber der Polizei oder der Beklagten - anzeigepflichtige Gefahrerhöhung zu werten, zumal der Kläger zunächst davon ausgegangen sei, dass der Schlüssel bloß verloren sei. Erst nach der polizeilichen Diebstahlsmeldung sei er auf den Gedanken gekommen, dass sein Bekannter "N" etwas mit dem Diebstahl bzw. mit dem Schlüsselverlust zu ...

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