Leitsatz (amtlich)

Die Beweislastumkehr für einen Sachmangel nach § 476 BGB gilt auch beim Tierkauf. Allerdings kann die Vermutung je nach Art einer den Mangel verursachenden Krankheit ausgeschlossen sein.

 

Normenkette

BGB § 476

 

Verfahrensgang

LG Münster (Urteil vom 25.08.2004; Aktenzeichen 14 O 265/02)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 25.8.2004 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Der Beklagte meint in der Berufung, das LG gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass es der Klägerin gelungen sei, das Vorliegen des Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe zu beweisen.

Es habe zwei verschiedene Lahmheitsursachen gegeben. Nach Übergabe des Pferdes habe eine Lahmheit des Fesselbeins vorgelegen. Ursache des Mangels sei aber eine traumatisch bedingte Luxation des Kreuz-Darmbein-Gelenkes, verbunden mit einer Asymmetrie der Kreuzhöcker. Diese habe bei Übergabe noch nicht vorgelegen, sondern sei in den 22 Tagen nach der Übergabe bis zur erstmaligen Feststellung durch Dr. G. entstanden.

Unverständlich sei, dass das LG selbst aus der Beweisaufnahme den Schluss gezogen habe, dass greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen des Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe nicht vorlägen, es aber dennoch letztlich davon ausgehe, dass die Klägerin das Vorliegen des Mangels bei Übergabe bewiesen habe. Keiner der Zeugen habe die Asymmetrie der Kreuzhöcker bei Übergabe oder auch nur bei Ankunft am Stall der Klägerin bestätigt. Die vom Zeugen V. bestätigten Beschwerden des Pferdes beruhten auf einer gänzlich anderen Ursache als der Luxation des Kreuz-Darmbein-Gelenks, nämlich den inzwischen ausgeheilten Beschwerden am Fesselbein. Auch der das Pferd 4 Tage nach der Übergabe untersuchende Arzt Dr. M. habe den Beckenschiefstand nicht festgestellt.

Der Klägerin komme auch nicht die Vermutung des § 476 BGB zugute. Sowohl auf den Kauf von Tieren als lebendigen Sachen. als auch auf die Art des Mangels als Folge eines Spontanereignisses sei die Vermutung nicht anwendbar. Hilfsweise sei darauf abzustellen, dass dem Beklagten die Widerlegung der Vermutung gelungen sei.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, gem. § 476 BGB treffe den Beklagten als unternehmerischen Pferdehändler die volle Exkulpationspflicht. Der Sachverständige habe ausgeführt, ob die Hinterbeinlahmheit am 20.3.2002 vorhanden gewesen sei, könne er nur "mit Unentschiedenheit" beantworten. Das beschreibe die Beweissituation des § 476 BGB.

Der Sachverständige habe noch nicht die Videoaufzeichnungen vom 27.2.2002 von der Vorführung des Pferdes gekannt. Mehrere Fachleute hätten bei Ansicht der Aufnahmen erkannt, dass das Pferd in der Hinterhand, im Ablauf der Beckenextremitäten "nicht in Ordnung" sei. Daraus ergebe sich, dass die Erkrankung des Iliosakralgelenks vor der Übergabe des Pferdes vorhanden gewesen sei.

Der Sachverständige halte es für möglich, dass nach der Ankaufsuntersuchung vom 13.3.2002 Medikamente verabreicht worden sein könnten, die auch ein schweres traumatisches Ereignis kaschiert hätten.

Die Zeugen V. und M. hätten festgestellt, dass das Pferd Probleme an der Hinterhand gehabt habe, die vom Rückenbereich herrühren mussten. Außerdem habe die Fesselbeinproblematik am linken Hinterbein vorgelegen, während die Klägerin von Anfang an dokumentiert habe, dass das Pferd Probleme hinten rechts aufgewiesen habe.

Auch der Sachverständige habe Anzeichen gefunden, dass das traumatische Ereignis vor dem 18.3.2002 stattgefunden haben müsse.

Dass eine andere Ursache für die Lahmheit direkt nach der Übergabe vorgelegen habe, die inzwischen geheilt sei, sei reine Erfindung. Dem Zeugen V. sei bereits beim ersten Reiten der Beckenschiefstand aufgefallen. Gleiches gelte für den Zeugen M.

Der Senat hat Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zur Senatssitzung vom 3.5.2005 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und die Protokolle der Sitzungen verwiesen.

II. Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus den §§ 434, 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen aus den §§ 434, 437 Nr. 3, 284 BGB.

1. Der im schriftlichen Kaufvertrag enthaltene Gewährleistungsausschluss ist gem. §§ 474, 475 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Beklagte ist als gewerbsmäßiger Züchter und Verkäufer von Pferden Unternehmer i.S.v. § 1...

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