Leitsatz (amtlich)

§ 36 ZPO ist auf negative Kompetenzkonflikte im Prozesskostenhilfeverfahren entsprechend anzuwenden. Wird der Zuständigkeitsstreitwert einer unbezifferten Schmerzensgeldklage - entgegen eines im Antrag genannten Mindestbetrages - mit einem begründeten Beschluss auf einen Betrag festgesetzt, der die Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens vom Landgericht an das Amtsgericht rechtfertigt, kann ein mit der Streitwertfestsetzung begründeter Verweisungsbeschluss bindend sein.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281

 

Tenor

Sachlich zuständig ist das Amtsgericht B.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt mit bei dem Landgericht N eingereichter Antragsschrift vom 30.03.2017 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner. Der beabsichtigte Klageantrag ist gerichtet auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, dessen genaue Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 5.000,00 EUR aber nicht unterschreiten soll, nebst Feststellung der Einstandspflicht dem Grunde nach.

Hierzu trägt der Antragsteller im Kern vor, er sei in der Nacht vom 29. auf den 30.10.2016 gegen 3.00 Uhr nach einem vorausgegangenen Wortgefecht von den Antragsgegnern geschlagen worden, wodurch er Prellungen und Kieferschmerzen sowie eine oberflächliche Verletzung des Kopfes erlitten habe. Überdies leide er an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Das angerufene Landgericht N hat mit Verfügung vom 18.04.2017 darauf hingewiesen, dass nach dem bisherigen Vortrag zu den erlittenen Verletzungen Bedenken gegen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts bestünden.

Mit Schriftsatz vom 11.05.2017 hat der Antragsteller ergänzend vorgetragen und hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht B beantragt.

Mit Beschluss vom 31.05.2017 hat das Landgericht N unter Verweis auf § 63 Abs. 1 GKG den Streitwert des Verfahrens vorläufig auf bis zu 3.000,00 EUR festgesetzt, sich mit weiterem Beschluss vom selben Tage für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht B verwiesen. Zur Begründung hat das Landgericht N darauf abgestellt, dass der Zuständigkeitsstreitwert auch unter Einbeziehung des Feststellungsantrages die Schwelle von 5.000,00 EUR nicht übersteige.

Das Amtsgericht B hat mit Verfügung vom 06.07.207 darauf hingewiesen, dass es sich für das - hier allein in Rede stehende - Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren für sachlich unzuständig halte. Dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts N komme keine Bindungswirkung zu, weil dieser zu Unrecht außer Acht lasse, dass der Antragsteller mit der im Antrag erfolgten Angabe eines Mindestbetrages von 5.000,00 EUR zu erkennen gegeben habe, dass er sich bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe unterhalb dieses Betrages beschwert sehen würde. Zudem begehre er Feststellung der Einstandspflicht dem Grunde nach, so dass sich ein Streitwert von mindesten 5.500,00 EUR ergebe, der die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründe.

Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat sich das Amtsgericht B durch Beschluss vom 27.07.2017 seinerseits für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Verweis auf § 281 ZPO analog an das Landgericht N zurückverwiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, die Verweisung durch das Landgericht N sei nicht bindend, weil die - die Grundlage der Verweisung bildende - Annahme, dass der Zuständigkeitsstreitwert von 5.000,00 EUR nicht überschritten sei, willkürlich sei und sich daher auch der Verweisungsbeschluss als willkürlich darstelle.

Daraufhin hat das Landgericht N die Sache mit Beschluss vom 21.08.2017 dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt mit der Begründung, es vermöge eine fehlende Bindungswirkung nicht zu erkennen. Hinzu komme, dass es bei der Frage, ob Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei, nicht auf die Vorstellung des Antragstellers, sondern vielmehr darauf ankomme, wie das Gericht die Erfolgsaussichten nach einer Schlüssigkeitsprüfung einschätze. Insoweit halte das Landgericht an seiner Auffassung fest, dass der erfolgversprechende Teil der Klage die Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts unterschreite.

II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Negative Kompetenzkonflikte im Prozesskostenhilfeverfahren sind analog § 36 ZPO zu bewältigen, wenn ihnen eine Verweisung analog § 281 ZPO und die Ablehnung der Übernahme durch das im Beschluss bezeichnete Gericht vorausgehen (BGH, Beschluss vom 09.03.1994, XII ARZ 8/94, NJW-RR 1994, 706; OLG Naumburg, Beschluss vom 22.04.2013, 1 AR 15/13, zitiert nach juris; Geimer in Zöller, ZPO 31. Aufl., § 114 Rn 17).

Sowohl das Landgericht N als auch das Amtsgericht B haben sich für sachlich unzuständig erklärt. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen.

Für das Prozesskostenhilfeverfahren ist das Amtsgericht B sachlich zuständig. Der Verwe...

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