Leitsatz (amtlich)

Ein Verweisungsbeschluss kann unverbindlich sein, wenn das verweisende Amtsgericht seine ausschließliche Zuständigkeit gemäß § 29a ZPO nicht zur Kenntnis nimmt. § 29a ZPO erfasst auch "sekundäre" Ansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung vertraglicher Pflichten aus einem Mietverhältnis, u.a. einen etwaigen Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der mietvertraglichen Nebenpflicht, einen Drittverkauf bei Bestehen eines gesetzlichen Vorkaufsrechts des Mieters mitzuteilen.

 

Normenkette

ZPO §§ 29a, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281

 

Tenor

Sachlich zuständig ist das Amtsgericht C.

 

Gründe

I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.

Dem Rechtsstreit liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger hat die Beklagte zu 1) mit Klageschrift vom 25.08.2016 ursprünglich auf Rückzahlung von unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlter Miete in Höhe von 790,06 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Mit Schriftsatz vom 04.02.2017 hat der Kläger die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert und des Weiteren beantragt festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet sei, ihm den Schaden wegen Nichteinräumung des Mietervorkaufsrechts zu erstatten, nachdem das Objekt zwischenzeitlich veräußert worden war und der neue Eigentümer das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu 2027 gekündigt hatte. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger sodann mit Schriftsatz vom 20.03.2018 unter Erklärung der Erledigung des Feststellungsantrages beantragt, die Beklagte zu 2) wegen Nichteinräumung des Mietervorkaufsrechts zu verurteilen, an ihn 5.783,68 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Daraufhin hat das Amtsgericht C den Kläger mit Beschluss vom 15.05.2018 darauf hingewiesen, dass mit der Klageerweiterung die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts nicht mehr gegeben sei und aus diesem Grund angeregt, Verweisung an das nunmehr zuständige Landgericht C zu beantragen. Sodann hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.05.2018 die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht C beantragt. Die Beklagten haben sich mit Schriftsatz vom 05.06.2018 mit der Verweisung einverstanden erklärt.

Mit Beschluss vom 14.06.2018 hat das Amtsgericht C sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht C verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das angerufene Gericht "aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig [sei], insbesondere da der Streitwert über der Zuständigkeitsgrenze des Amtsgerichts [liege]".

Mit interner Verfügung vom 02.07.2018 hat das Landgericht C darauf verwiesen, dass das Amtsgericht C gemäß § 29a ZPO auch nach Klageerweiterung für den Rechtsstreit weiterhin ausschließlich zuständig sei und den Rechtsstreit an das Amtsgericht C zurückgegeben. Daraufhin hat das Amtsgericht C mit interner Verfügung vom 19.07.2018 darauf verwiesen, dass die Verweisung jedenfalls nicht willkürlich gewesen sei, da sie mit Einverständnis beider Parteien erfolgt sei, und die Vorlage an das Oberlandesgericht Hamm zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung angeregt.

Daraufhin hat sich das Landgericht C mit den Parteien bekannt gemachtem Beschluss vom 30.08.2018 unter Verweis auf § 29a ZPO für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht Hamm zum Zwecke der Durchführung des Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt.

Der Senat die Parteien mit Verfügung vom 21.09.2018 angehört. Hierzu haben die Parteien keine Stellungnahme abgegeben.

II. Die Voraussetzungen einer Bestimmung des Gerichtsstands gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

Das Amtsgericht C und das Landgericht C haben sich beide im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für sachlich unzuständig erklärt. Das Amtsgericht C hat den Rechtsstreit durch den grundsätzlich gemäß § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbaren und den Parteien bekannt gemachten Beschluss vom 15.05.2018 an das Landgericht C verwiesen. Das Landgericht C hat durch den Parteien bekannt gemachten Beschluss vom 30.08.2018 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, sich ebenfalls für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren dem Oberlandesgericht zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO auch zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit als das im Rechtszug zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht berufen.

Sachlich zuständig ist das Amtsgericht C.

Das Landgericht C ist an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts C vom 15.05.2018 nicht gebunden.

Gemäß § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO sind Verweisungsbeschlüsse grundsätzlich bindend, da - im Einklang mit der in § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO normierten Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen - im Interesse der Prozessökonomie das Verfahren verzögernde und verteuernde Zuständigkeitsstreitigkeiten vermieden werden sollen.

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