Leitsatz (amtlich)

Zur Begründung der Entscheidung, von einem Fahrverbot absehen zu wollen.

 

Verfahrensgang

AG Lüdenscheid (Entscheidung vom 19.12.2005)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Lüdenscheid zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Landrat des Märkischen Kreises hat mit Bußgeldbescheid vom 17. Februar 2005 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße in Höhe von 195,00 EUR sowie ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats mit der Maßgabe nach § 25 Abs. 2 a StVG festgesetzt.

Auf den hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Lüdenscheid ihn durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR verurteilt. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat es abgesehen.

Es hat u.a. folgende persönliche und tatsächliche Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene ist ledig, er arbeitet als Kommunikationselektriker bei der Firma I. in K..

Das Verkehrszentralregister weist folgende Eintragung auf:

Am 28.01.2004 wurde gegen den Betroffenen wegen Vorfahrtsmissachtung mit Unfall ein Bußgeld in Höhe von 60,00 EUR verhängt.

Am 30.06.2005 befuhr der Betroffene mit seinem Pkw Marke Mitsubishi, amtliches Kennzeichen ... die Bundesstraße 236 Werdohler Straße in Altena in Fahrtrichtung Altena. In Höhe Parkplatz Oertlinghaus geriet er in eine Radarkontrolle mit dem Geschwindigkeitsmessgerät Riegl LR90-235/P. An dieser Stelle bestand eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 70 km/h. Das Geschwindigkeitsmessgerät stellte eine Geschwindigkeit des Pkw's von 125 km/h fest.

Nach Abzug des Toleranzwertes von 4 km/h ist so von einer Geschwindigkeit von 121 km/h auszugehen. Da die Geschwindigkeit an der Messstelle auf 70 km/h begrenzt war, ist festzustellen, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 51 km/h überschritten hat."

Das Absehen von der Verhängung des noch im Bußgeldbescheid gem. § 4 Abs. 2 BKatV festgesetzten einmonatigen Regelfahrverbotes hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Der Betroffene bestreitet nicht die gemessene Geschwindigkeit. Er bittet jedoch darum, von einem Fahrverbot abzusehen. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor, dass er mit öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Arbeitsplatz in K. nicht erreichen kann und aufgrund der Kosten auch eine Inanspruchnahme eines Taxis oder ein Umzug nicht möglich ist. Darüber hinaus gehört zu seiner Berufsausübung auch, dass er selbständig zu Kunden fährt und dort bei Kunden Computer einrichten muss. Seinen Resturlaub von 27 Tagen kann er auch nicht in einem Stück nehmen. Im Falle eines Fahrverbots muss er mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen.

Das Gericht hat aber von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen, weil hier ein Ausnahmetatbestand im Sinne von § 4 Abs. 4 Bußgeldkatalogverordnung gegeben ist. Das Fahrverbot würde für den Betroffenen eine unangemessene Härte bedeuten. Es wäre in Anbetracht der gegebenen Umstände verfehlt und würde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen.

Der Betroffene hat glaubhaft dargelegt, dass er im Falle eines Fahrverbots mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen muss. Er kann dann nämlich den ihm auferlegten Verpflichtungen, auch selbständig zu Kunden zu fahren und dort Computer einzurichten, nicht nachkommen. Eine Inanspruchnahme seines gesamten Resturlaubs ist auch nicht möglich. Darüber hinaus ist es für den Betroffenen nicht möglich, seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Öffentliche Verkehrsmittel stehen zu den genannten Zeiten von Plettenberg nach K. in nicht angemessener Weise zur Verfügung. Die Inanspruchnahme eines Taxis oder ein vorübergehender Umzug scheiden aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Darüber hinaus hat sich der Betroffene in der Hauptverhandlung als einsichtige, angenehme Persönlichkeit dargestellt. Der positive Gesamteindruck wurde auch noch dadurch verstärkt, dass der Betroffene, der erst fünf bis sechs Kilometer nach der Messstelle von den Zeugen angehalten wurde, von Anfang an nicht in Abrede gestellt hat, zum Tatzeitpunkt mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen zu sein und die Geschwindigkeitsmessung an sich nicht anzweifelte.

Nachdem erscheint es ausnahmsweise angebracht, von der Verhängung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße abzusehen. Das Gericht betrachtet die verhängte Geldbuße als tat- und schuldangemessen."

Das Urteil ist der Staatsanwaltschaft Hagen, die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte, am 27. Dezember 2005 zunächst ohne Gründe zugestellt worden, da die Staatsanwaltschaft vor der Hauptverhandlung keine schriftliche Begründung des Urteils beantragt und der Betroffene auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet hatte. Das begründete Urtei...

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