Leitsatz (amtlich)

Zum Absehen vom Fahrverbot bei einer Rechtsanwältin.

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Essen hat die Betroffene durch Urteil vom 3. Februar 2006 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft (fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 3 Ziffer 1, 49 Abs. 1 Ziffer 3 StVO) zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt.

Zum Tatvorwurf hat das Amtsgericht Folgendes festgestellt:

"Am 07.09.2005 gegen 23.10 Uhr befuhr die Betroffene mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX die Bredeneyer Straße in Essen. In Höhe "Löwental" fuhr sie mit einer Geschwindigkeit von zumindest 92 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur 60 km/h betrug. Zumindest aus grober Nachlässigkeit heraus ist der Betroffenen entgangen, dass sie aufgrund der Geschwindigkeitsregelung nur 60 km/h hätte fahren dürfen.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund des Geständnisses der Betroffenen, des verlesenen Eichscheins und Messprotokolls sowie der in Augenscheinnahme des Lichtbildes Blatt 5 der Akten.

Die Betroffene hat sowohl ihre Fahrereigenschaft als auch die Geschwindigkeitsübertretung eingeräumt. Insoweit sieht sich das Gericht auch bestätigt durch das in Augenschein genommene Lichtbild, das für das Gericht unzweifelhaft die Betroffene wiedergab. Ausweislich des Messprotokolls wurde im Wege des Radarmessverfahrens mittels eines gültig geeichten Bedienungsgerätes eine Geschwindigkeit von 95 km/h gemessen. Unter Berücksichtigung einer Messtoleranz ergibt sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 92 km/h. Die Betroffene hat sich dahin gehend eingelassen, dass sie davon ausgegangen sei, dass an der Örtlichkeit eine Geschwindigkeit von 70 km/h erlaubt sei. Es sei nachts und dunkel gewesen, sie habe Gas gegeben und auf die Geschwindigkeit nicht geachtet. Die Einlassung der Betroffenen ist nicht zu widerlegen, so dass der Betroffenen lediglich eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen werden kann."

Von der Verhängung eines Fahrverbotes nach § 4 Abs. 1 Bußgeldkatalogverordnung hat das Gericht unter Verdoppelung der Regelgeldbuße auf 200,00 Euro abgesehen. Hierzu hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

"Von der Verhängung des Regelfahrverbotes kann abgesehen werden, wenn entweder die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweise fallen, dass die Vorschrift des Regelfahrverbotes darauf nicht zugeschnitten ist, oder aber die Anordnungfür den Betroffenen eine Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten würde (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 25 StVG Randnummer 18). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme würde ein Fahrverbot für die Betroffene eine Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Einlassung der Betroffenen, die durch deren Verteidiger und Sozius Rechtsanwalt Dr. G. bestätigt wurde. Danach habe die Betroffene im Umkreis von 250 bis 300 km zur Berufsausübung überregionale und auswärtige Besprechungs- und Gerichtstermine wahrzunehmen. Auf diese Mandate sei die Betroffene, alleinerziehende Mutter, dringend angewiesen. Die Beschäftigung eines Chauffeurs sowie die Inanspruchnahme von Urlaub in den nächsten 4 Monaten sei wirtschaftlich nicht machbar. Bei dieser Sachlage hält das Gericht angesichts der geringfügigen Überschreitung der für das Fahrverbot relevanten Geschwindigkeitsgrenze ein Fahrverbot für unverhältnismäßig."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie ist ausweislich der Rechtsbeschwerdebegründung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel der örtlichen Staatsanwaltschaft mit näheren Ausführungen beigetreten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und im Umfang der Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Essen.

1.

Soweit das Amtsgericht die Betroffene lediglich wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt hat, begegnet dies angesichts ihrer Einlassung bereits erheblichen Bedenken. Da die Betroffene sich nach den Feststellungen des Gerichts dahingehend eingelassen hat, sie sei davon ausgegangen, dass an der Örtlichkeit eine Geschwindigkeit von 70 km/h erlaubt sei, es sei nachts dunkel gewesen, sie habe Gas gegeben und auf die Geschwindigkeit nicht geachtet, hätte sich das Gericht auch damit auseinander setzen müssen, ob die Betroffene nicht mit bedingtem Vorsatz die Geschwindigkeit überschritten hat. Bedingt vorsätzliches Handeln kommt hier in...

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