Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde: Erforderlichkeit einer Abhilfeentscheidung bei zugrundeliegendem einstweiligen Anordnungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Abhilfebefugnis gem. § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei Beschwerden gegen Entscheidung des AG im Verfahren der einstweiligen Anordnung.

 

Normenkette

FamFG § 68 Abs. 2 S. 1, § 54 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Essen-Steele (Aktenzeichen 16 F 19/10)

 

Tenor

1. Das Verfahren wird vom Einzelrichter auf den Senat übertragen.

2. Eine Entscheidung über die Beschwerde wird abgelehnt. Die Sache wird dem AG zurückgegeben, welches über die Abhilfe hinsichtlich der Beschwerde zu entscheiden hat.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über eine Gewaltschutzanordnung als Folge eines Vorfalls am 17.1.2010, bei dem nach Behauptung des Antragstellers der Antragsgegner ihn bedroht habe. Das AG hat nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Vernehmung der im Verhandlungstermin vom Antragsteller gestellten Zeugen Q und I seine Verfügung vom 19.1.2010, mit welcher es dem Antragsgegner untersagt hat, den Antragsteller zu bedrohen, zu belästigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln, aufrechterhalten, weil es aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme als glaubhaft gemacht ansah, dass der Antragsgegner den Antragsteller bedroht habe. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, in welcher er die Zeugen Q2 und T nunmehr dafür benennt, dass er bei dem Zusammentreffen der Parteien am 17.1.2010 keine Drohgebärden ggü. dem Antragsteller gemacht habe.

II. Der Senat ist jedenfalls derzeit zur Entscheidung über die nach § 57 Satz 2 Nr. 4 FamFG statthafte Beschwerde nicht befugt, weil zunächst eine Abhilfeentscheidung des AG gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 FamFG zu ergehen hat.

Die Abhilfemöglichkeit ist nicht durch § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG ausgeschlossen, weil die Entscheidung des AG im Verfahren der einstweiligen Anordnung gem. § 54 Abs. 2 FamFG keine "Endentscheidung" im Sinne dieser Norm darstellt.

Zwar handelt es sich bei dem Beschluss des AG vom 22.4.2010 um eine die Beschwerde eröffnende "Endentscheidung" i.S.d. § 58 Abs. 1 FamFG, weil hierdurch der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise i.S.d. § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG erledigt wurde (vgl. OLG Stuttgart NJW 2009, 3733). Aufgrund der vom AG durchgeführten mündlichen Verhandlung liegen zudem die besonderen Voraussetzungen des § 57 Satz 2 Nr. 4 FamFG vor.

Gleichwohl ist die Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG auf Beschwerden gegen Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht anwendbar, obwohl diese Norm ebenfalls den Begriff der "Endentscheidung" verwendet. Allerdings ist der Wortlaut nicht eindeutig, weil § 57 FamFG nicht den Begriff der "Endentscheidung", sondern lediglich den Begriff "Entscheidung" verwendet, so dass der uneinheitliche Sprachgebrauch des Gesetzes nahelegt, dass nicht alle für Beschwerden gegen Hauptsacheentscheidungen anwendbaren Vorschriften auch bei Beschwerden im Verfahren der einstweiligen Anordnung anwendbar sind. Vielmehr bedarf es einer Gesetzesauslegung, ob die für "Endentscheidungen" geltenden Regelungen des Beschwerderechts bei Beschwerden im Verfahren der einstweiligen Anordnung anwendbar sind. Dies wird auch durch § 216 Abs. 1 FamFG deutlich, weil auch bei dieser Norm unter den verwendeten Begriff der "Endentscheidung" nur solche Beschlüsse des AG fallen, die im Hauptsacheverfahren ergangen sind, während im Verfahren der einstweiligen Anordnung die speziellere Regelung des § 53 FamFG Anwendung findet (vgl. Keidel - Giers, FamFG, 16. Aufl., § 216 Rz. 1).

Aus der Entstehungsgeschichte des § 68 FamFG wie dessen Sinn und Zweck ergibt sich das Bestehen einer Abhilfemöglichkeit und -verpflichtung des AG bei einer Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss im Verfahren der einstweiligen Anordnung.

Der Regelung des § 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG ging diejenige in § 621e ZPO (a.F.) voraus, weshalb nach der früheren Gesetzeslage gegen Entscheidungen des AG in Gewaltschutzsachen in der Hauptsache die befristete Beschwerde eingelegt werden konnte, für welche § 621e Abs. 3 ZPO durch Bezugnahme auf die Vorschriften des Berufungsrechts einen Ausschluss der Abhilfe normierte. Eine einstweilige Anordnung in Gewaltschutzsachen war hingegen nach der früheren Rechtslage gem. § 64b Abs. 3 FGG möglich. Die in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen des AG unterlagen, sofern eine mündliche Verhandlung vorausgegangen war, gem. §§ 64b Abs. 3 Satz 2 FGG, 620c Satz 1 ZPO (a.F.) der sofortigen Beschwerde, bei welcher nach herrschender und zutreffender Auffassung (vgl. Zöller - Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 620c Rz. 22; a.A. Musielak - Borth, ZPO, 4. Aufl., § 620c Rz. 9) die Abhilfemöglichkeit gem. § 572 Abs. 1 ZPO eröffnet war. Die Gesetzesmaterialien geben keinerlei Hinweis darauf, dass sich durch die Reform des Verfahrensrechts und die Einführung des FamFG an dieser Rechtslage etwas ändern sollte(vgl. BT-Drucks. 16/6308, 207).

Auch Sinn und Zweck ...

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