Entscheidungsstichwort (Thema)

mehrfaches Fahrverbot. Tatmehrheit. Kumulationsprinzip. Divergenzvorlage

 

Leitsatz (amtlich)

Kann bei zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen, die jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können und über die gleichzeitig zu urteilen ist, stets lediglich ein einheitliches Fahrverbot verhängt werden oder ist es möglich, hinsichtlich jeder Ordnungswidrigkeit gesondert ein Fahrverbot - mithin zwei Fahrverbote nebeneinander- zu verhängen?

 

Normenkette

StVG § 25 Abs. 1; OWiG § 20; GVG § 121 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Aktenzeichen 37 OWi 1245/14)

 

Tenor

  1. Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

    (Alleinentscheidung des mitentscheidenden Einzelrichters)

  2. Die Sache wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

    Kann bei zwei Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen, die jeweils mit einem Fahrverbot als Nebenfolge geahndet werden können und über die gleichzeitig zu urteilen ist, stets lediglich ein einheitliches Fahrverbot verhängt werden oder ist es möglich, hinsichtlich jeder Ordnungswidrigkeit gesondert ein Fahrverbot - mithin zwei Fahrverbote nebeneinander - zu verhängen?

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen zweifacher fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu zwei Geldbußen in Höhe von 160 € und 240 € verurteilt, zwei Mal ein Fahrverbot jeweils für die Dauer eines Monats verhängt und jeweils bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam werde, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, die er vorrangig darauf stützt, dass die Ordnungswidrigkeiten verjährt seien.

I.

Nach den Feststellungen und Wertungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 24. April 2014 und am 13. Juni 2014 jeweils mit einem Pkw die Bundesautobahn A 2 an einer Stelle, an der die - durch mehrere Verkehrszeichen angeordnete - zulässige Höchstgeschwindigkeit 100 km/h betrug, mit einer höheren Geschwindigkeit, nämlich mindestens mit 160 km/h am 24. April 2014 und mit 150 km/h am 13. Juni 2014. Bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte er die für ihn geltende Höchstgeschwindigkeit erkennen sowie dementsprechend sein Fahrverhalten darauf einstellen können und müssen.

II.

(Alleinentscheidung des Einzelrichters)

Der Einzelrichter überträgt die Sache nach § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern, weil es aus den nachfolgend dargelegten Gründen geboten ist, das angefochtene Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 1998 - 4 StR 166/98, BGHSt 44, 144 f.).

III.

Der Senat hat die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Bundesgerichtshof vorzulegen, da er beabsichtigt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen und insofern von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte abzuweichen.

1. Die Abweichung betrifft die (vom Bundesgerichtshof bisher nicht beantwortete) Rechtsfrage, ob bei mehreren Ordnungswidrigkeiten, die in Tatmehrheit stehen und über die gleichzeitig zu urteilen ist, stets nur ein einheitliches Fahrverbot angeordnet werden kann oder ob auch die Anordnung mehrerer Fahrverbote nebeneinander möglich ist. Soweit ersichtlich, ist bislang einhellige - weitgehend tragende - Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass innerhalb derselben Entscheidung auch dann nicht mehrfach auf ein Fahrverbot erkannt werden kann, wenn mehrere Verkehrsordnungswidrigkeiten geahndet werden, von denen jede bereits für sich allein die Anordnung eines Fahrverbots rechtfertigen würde (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21. November 1995 - 1 ObOWi 595/95, [...] Rn. 15 mwN; OLG Bamberg, Beschluss vom 16. September 2013 - 2 Ss OWi 743/13, [...] Rn. 11; Brandenburgisches OLG, Beschlüsse vom 28. Mai 2002 - 2 Ss [OWi] 16 B/02, VRS 106, 212, 213; vom 5. März 2013 - [2 B] 53 Ss-OWi 74/13 [41/13], VRS 124, 346 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. November 1997 - 5 Ss [OWi] 281/97, NZV 1998, 298, 299; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 6. September 2001 - 2 SsOWi 222/01, SchlHA 2002, 177; OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. Dezember 1995 - 1 Ss 541/95, NZV 1996, 159, 160; zum Zusammentreffen von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten in demselben Verfahren OLG Celle, Urteil vom 13. Oktober 1992 - 1 Ss 266/92, NZV 1993, 157). Auch der Senat hat diese Ansicht vertreten (OLG Hamm, Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 3 Ss OWi 451/09, NZV 2010, 159; s. zudem etwa OLG Hamm, Beschluss vom 21. September 2005 - 1 Ss OWi 402/05, NJW 2006, 245, 247).

2. Der Senat beabsichtigt, an dieser Rechtsauffassung nicht weiter festzuhalten.

a) Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dazu, ob bei der Verwirklichung mehrerer Ordnungswidrigkeiten durch verschiedene Handlungen als Rechtsfolge lediglich die Anordnung eines einheitlichen Fahrve...

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