Leitsatz (amtlich)

Überschreitet ein Betroffener die gemäß Zeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 100 km/h und die gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 2 c) StVO allgemein geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 70 km/h liegt jedenfalls im Umfang der die allgemein zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschreitenden Höchstgeschwindigkeit Vorsatz vor.

 

Verfahrensgang

AG Warburg (Entscheidung vom 03.11.2004; Aktenzeichen 7 OWi 361 Js 822/04 (457/04))

 

Tenor

Unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im Übrigen wird der Tenor des angefochtenen Urteils dahingehend geändert, daß der Betroffene wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verurteilt wird.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist durch das Amtsgericht Warburg wegen "fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit" zu einer erhöhten Geldbuße von 450,00 Euro und einem Fahrverbot von drei Monaten Dauer unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG verurteilt worden.

Hiergegen richtet sich die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näherer Darlegung die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt wie erkannt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist im Ergebnis unbegründet. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge führt jedoch zur Abänderung der Schuldform im Schuldspruch.

1.

Mit der erhobenen Verfahrensrüge, das Hauptverhandlungsprotokoll entspreche nicht dem geltenden Recht, kann der Betroffene, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 10. März 2005 zutreffend hingewiesen hat, deshalb nicht gehört werden, weil ein Urteil auf der Fehlerhaftigkeit eines Protokolls nicht beruhen kann.

Insoweit hat der Betroffene ausgeführt:

"Im übrigen: In dem Verhandlungsprotokoll vom 03.11.04 heißt es u.a.:

"b.u.v.

Das Messfoto Bl. 2 und 5 d.A., das Passfoto Bl. 23 d.A., der Eichschein Bl. 3 d.A. und die Bescheinigung Bl. 4 d.A. wurden zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht."

Die vorstehend zitierte Formulierung entspricht nicht dem geltenden Verfahrensrecht, denn sie genügt nicht den strengen Anforderungen der auch im Bußgeldverfahren geltenden §§ 271, 273 Abs. 1 StPO. Fotos wie hier werden durch Augenscheinseinnahme in die Hauptverhandlung eingeführt (§ 86 StPO). Dass Fotos während der Hauptverhandlung zu Beweiszwecken in Augenschein genommen wurden, gehört zu den wesentlichen Förmlichkeiten. Fehlt eine entsprechende Eintragung in der Sitzungsniederschrift, so ist der Inhalt der Urteilsgründe nicht geeignet das Protokoll zu widerlegen und zu ergänzen. Auch aus diesem Grunde ist das Urteil daher aufzuheben (OLG Hamm VRS 56, S. 362 und OLG Düsseldorf NZV 96, S. 503)."

Diesem Vorbringen läßt sich insbesondere nicht entnehmen, daß der Betroffene rügt, die Meßfotos seien in der Hauptverhandlung nicht in Augenschein genommen worden, das Urteil beruhe somit auf Beweismitteln, die nicht förmlich in die Hauptverhandlung eingeführt worden seien. Ob eine solche Rüge der Rechtsbeschwerde hätte zum Erfolg verhelfen können, muß hier nicht entschieden werden. Jedenfalls sollte das Amtsgericht in Zukunft auf eine vollständige und Unklarheiten vermeidende Protokollierung hinwirken.

2.

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die erhobene Sachrüge hat jedenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

a)

Hinsichtlich der Feststellung der vorwerfbaren Geschwindigkeit genügt das angefochtene Urteil den zu stellenden Anforderungen. Nach ständiger Rechtsprechung muß der Tatrichter dem Rechtsbeschwerdegericht in seinem Urteil die rechtliche Nachprüfung der Zuverlässigkeit der Feststellungen zu der Geschwindigkeitsüberschreitung ermöglichen. Hierzu gehört, daß er in den Urteilsgründen zumindest die zur Feststellung der gefahrenen Geschwindigkeit angewandte Meßmethode mitteilt und darüber hinaus darlegt, daß mögliche Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (ständige Rechtsprechung aller Oberlandesgerichte, vgl. schon BayObLG, VRS 74 (1988), 384; bei: Bär, DAR 1987, 314; bei: Rüth, DAR 1986, 238; DAR 1966, 104; OLG Düsseldorf, VRS 81 (1991), 208;  82 (1992), 50;  82 (1992), 382; VerkMitt 1992, 36; OLG Frankfurt, NZV 1993, 202; OLG Köln, VRS 67 (1984), 462;  81 (1991), 128; OLG Schleswig, bei: Ernesti-Lorenzen, SchlHA 1980, 175; OLG Stuttgart, VRS 66 (1984), 57;  81 (1991), 129 f.; DAR 1993, 72; vgl. grundlegend zu standardisierten Meßverfahren: BGH, NJW 1993, 3081 = BGHSt 39, 291 = NZV 1993, 485 = NStZ 1993, 592 = MDR 1993, 1107). Da der Betroffene konkrete Bedenken gegen die Richtigkeit der vorgenommenen Messung nicht erhoben hat, ist das Amtsgericht dieser Verpflichtung durch Mitteilung der Meßmethode, der gemessen Geschwindigkeit, der Höhe des Toleranzabzuges und der vorwerfbaren Geschwindigkeit ausreichend nachgekommen.

b)

Soweit das Amtsgericht die Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit der auf dem Meßfoto abg...

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