Leitsatz (amtlich)

Leistet der durch ein Anerkenntnisvorbehaltsurteil im Urkundenverfahren verurteilte Beklagte Sicherheit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung und wird die Klage im Nachverfahren abgewiesen, ist die Veranlassung zur Sicherheitsleistung i. S. d. § 109 Abs. 1 ZPO auch dann entfallen, wenn gegen das im Nachverfahren ergangene Urteil Berufung eingelegt wurde, über die noch nicht entschieden ist.

 

Normenkette

ZPO § 109 Abs. 1, § 707 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 4 O 132/19)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 05.08.2021 wird der Beschluss des Landgerichts Hagen vom 26.6.2021 - 4 O 132/19 - abgeändert. Dem Antragsgegner wird eine Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gesetzt, in die Rückgabe der Sicherheit einzuwilligen oder die Klageerhebung wegen seiner Ansprüche nachzuweisen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf 14.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Landgericht Hagen verurteilte die Beklagten durch Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 24.10.2019 zur Zahlung von 122.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018. Durch Beschluss vom 28.11.2019 stellte es die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 140.000 EUR gem. § 707 Abs. 1 S. 1 ZPO einstweilen ein. Im Nachverfahren erhielt das Landgericht das Anerkenntnisvorbehaltsurteil nur insoweit aufrecht, als die Beklagten verurteilt wurden, auf einen Betrag v. 122.500 EUR Zinsen i.H.v. zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.3.2018 bis zum 29.06.2019 zu zahlen, im Übrigen hob es jenes Urteil auf. Das dagegen gerichtete Berufungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Den Antrag der Beklagten auf Fristsetzung gem. § 109 Abs. 1 ZPO hat das Landgericht abgelehnt, ihrer dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat es nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 109 Abs. 4 ZPO statthaft und wurde innerhalb der 2-Wochenfrist eingelegt und begründet. Sie ist auch begründet. Dem Antrag der Beklagten war entgegen der Auffassung des Landgerichts stattzugeben, da die Voraussetzungen von § 109 Abs. 1 ZPO erfüllt sind.

Die Veranlassung für die Sicherheitsleistung ist weggefallen. Veranlassung für die Sicherheitsleistung ist im vorliegenden, auf § 707 Abs. 1 S. 1 ZPO beruhenden Fall, dass dem Kläger durch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 24.10.2019 ein Schaden entstehen könnte (BGH, NJW 1982, 1397; Vorwerk/Wolf/Jaspersen, BeckOK ZPO, 43. Edition Stand 01.12.2021, § 109 ZPO Rn. 9 f.; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 109 ZPO Rn. 6; allgemein Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 109 ZPO Rn. 1). Da dieses Urteil durch das Urteil im Nachverfahren vom 21.5.2021 weitgehend aufgehoben wurde, kommt eine Zwangsvollstreckung daraus indes insoweit nicht mehr in Betracht (KG, ZZP 50 (1926), 126; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. November 1977 - 15 U 71/77 -, juris). Die einstweilige Einstellung durch Beschluss vom 28.11.2019 wurde durch den Erlass des Urteils im Nachverfahren beendet (MünchKommZPO/Götz, 6. Aufl. 2020, § 707 ZPO Rn. 20). Eine Zwangsvollstreckung des Klägers ist m.a.W. derzeit nicht aufgrund der einstweiligen Einstellung ausgeschlossen, sondern weil das Vorbehaltsurteil aufgehoben ist. Ist daher auch der Kläger im Ergebnis unverändert an der Zwangsvollstreckung gehindert und kann ihm daraus auch weiterhin ein Nachteil entstehen, so ist doch der rechtliche Grund entfallen, der für die Sicherung seines Interesses bestand. Wäre dem Kläger durch die einstweilige Einstellung ein Schaden entstanden, könnte er diesen nunmehr geltend machen.

Das wird durch die - bereits von Levis, ZZP 50 (1926), 126, 127 und OLG Hamm, OLGZ 1982, 453, 454 angestellte - Kontrollüberlegung bestätigt, dass gem. § 717 ZPO die vorläufige Vollstreckbarkeit mit der Verkündung eines Urteils außer Kraft tritt, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder ändert. Folgerichtig ist gem. § 775 Nr. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung einzustellen oder zu beschränken, wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist. In diesem Falle sind nach § 776 ZPO zugleich die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben.

Insofern liegt der vorliegende Fall anders als der, den der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 14.10.1981 - V ZR 113/80, NJW 1982, 1397, zu beurteilen hatte. Dort ging es um die Vollstreckung aus einer notariellen Urkunde, die als Titel unverändert bestand.

Es erschiene aber auch zweckwidrig, von der die Aufhebung verlangenden Partei die Darlegung zu verlangen, dass der anderen Partei durch die einstweilige Einstellung kei...

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