Leitsatz (amtlich)

a) Zur Frage der Verwertbarkeit der Aussage eines Zeugen, der sein Wissen, dadurch erlangt hat, daß er ein Telefongespräch über einen an einem privaten Telefonanschluß angebrachten Verstärker (Lautsprecher) mitgehört hat.

b) Zur Frage, ob ein solcher Verstärker als Abhörgerät im Sinne des § 201 Abs. 2 StGB anzusehen ist.

 

Normenkette

ZPO § 286; StGB 1975 § 201 Abs. 2

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 27.11.1980)

LG Berlin

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 27. November 1980 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Erstattung von. Mietausfall und Schadensersatz aufgrund eines zwischen den Parteien am 21. Mai 1977 schriftlich geschlossenen Mietvertrages. Durch diesen Vertrag hatte der Kläger an den Beklagten in einem noch zu errichtenden Gebäude in H./Oberbayern Räume zur Nutzung als Zahnarztpraxis auf die Dauer von 15 Jahren vermietet. Das Mietverhältnis sollte mit der Bezugsfertigkeit der Räume beginnen.

Mitte Januar 1978 fand auf der Baustelle eine Besprechung statt, bei der mit dem Beklagten über die Aufteilung und Ausstattung der Räume gesprochen wurde. Mit Schreiben vom 26. Januar 1978 forderte der Kläger den Beklagten auf, seine diesbezüglichen Wünsche verbindlich mitzuteilen. Der Beklagte reagierte darauf nicht. Er rief den Kläger jedoch am 3. Februar 1978 in dessen Privatwohnung an und teilte ihm mit, daß er aus gesundheitlichen Gründen an dem Mietvertrag nicht festhalten könne. Der weitere Inhalt des Telefongesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Nach Darstellung des Beklagten, der das Gespräch von einem Hotelzimmer in R./Egern aus führte, erklärte sich der Kläger mit der Aufhebung des Mietvertrages einverstanden. Der Beklagte beruft sich dabei auf die Zeugin Anne von R., eine Bekannte, die in dem Hotelzimmer anwesend gewesen sei und das Gespräch über einen von Ihm angeschlossenen Verstärker (Lautsprecher) mitgehört habe.

Am Tage nach diesem Gespräch überbrachte die Zeugin von R. der Ehefrau des Klägers die im Besitz des Beklagten befindlichen Bauunterlagen. Am 6. Februar 1978 richtete der Beklagte ein Schreiben an den Kläger mit folgendem Inhalt:

„Wie Ich Ihnen bedauerlicherweise telefonisch schon mitteilen mußte, kann ich aus rein gesundheitlichen Gründen – anläßlich meines letzten Krankenhausaufenthaltes wurde dies von dem behandelnden Arzt entdeckt – die Praxisräume in Ihrem Ärztehaus in H. nicht übernehmen. Es tut mir wirklich sehr leid, da ich gerne im oberbayerischen Raum wohnen würde …”

Der Kläger, der die Vereinbarung eines Mietaufhebungsvertrages bestreitet, teilte dem Beklagten die Bezugsfertigkeit der Räume zum 31. Mai 1978 mit und bestand auf der Erfüllung des Vertrages. Da der Beklagte die Räume nicht bezog, vermietete der Kläger sie zum 1. Mai 1979 an einen Steuerberater, und zwar zu einem. Mietpreis, der in den ersten beiden Jahren um 2,– DM pro m² unter dem mit dem Beklagten vereinbarten Mietpreis lag.

Mit der Klage nacht der Kläger die Erstattung des Mietausfalls und der Nebenkosten bis zum 31. April 1979 sowie Schadensersatz wegen des Mietnachlasses gegenüber dem Nachfolgemieter und Ersatz der Kosten geltend, die für Umänderungsarbeiten in den für den Beklagten vorgesehenen Räumen entstanden sind. Insgesamt verlangt er vom Beklagten 48.517,92 DM nebst Zinsen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil es die vom Beklagten behauptete Aufhebung des Mietvertrages nach Vernehmung der Zeugin als erwiesen ansah. Das Kammergericht hat den Beklagten zur Zahlung des Mietausfalls und des Mietnachlasses verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Im Revisionsrechtszug streiten die Parteien nur noch um die Frage, ob der Mietvertrag im Verlauf des Telefongespräches am 3. Februar 1978 einvernehmlich aufgehoben worden ist. Der Beklagte erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß der zwischen den Parteien am 27. Mai 1977 geschlossene Mietvertrag zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Mieträume, zu dem das Mietverhältnis beginnen sollte, noch bestand und den Beklagten zum Ersatz des vom Kläger geltend gemachten Mietausfalls und des dem Nachfolgemieter gewahrten Mietnachlasses verpflichte.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht dabei davon aus, daß der Mietvertrag weder durch eine ordentliche noch durch eine außerordentliche Kündigung seitens des Beklagten erloschen ist. Insoweit hat auch die Revision keine Einwendungen gegen das Berufungsurteil erhoben.

2. Das Berufungsgericht meint, es sei bereits zweifelhaft, ob das Vorbringen des Beklagten über das Zustande eines Mietaufhebungsvertrages überhaupt schlüssig sei. Jedenfalls sei die Behauptung des Beklagten, die Parteien hätten das Mietverhältnis in dem Telefongespräch am 3. Februar 1978 einvernehmlich aufgehoben, nicht als erwiesen anzusehen.

Die einzige vom Beklagten benannte Zeugin hat das Berufungsgericht nicht gehört und ihre in erster Instanz gemachte Aussage nicht berücksichtigt. Es ist der Auffassung, daß die Aussage der Zeugin prozessual nicht verwertet werden dürfe, weil diese ihr Wissen in unzulässiger, rechtlich, zu mißbilligender Weise erlangt habe. Der Beklagte habe die Zeugin bei dem. Telefongespräch mit dem Kläger von vornherein in der Absicht über einen Verstärkerapparat mithören lassen, sich ein Beweismittel für das Gespräch zu verschaffen. Dieses Vorgehen sei rechtlich zu mißbilligen, weil der Kläger davon nichts gewußt habe und sich nicht darauf habe einstellen können. Eine besondere Notlage, die das Verhalten des Beklagten hätte rechtfertigen können, habe nicht bestanden.

II. Mit dieser Begründung hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision nicht stand.

1. Die Zweifel des Berufungsgerichts an der Schlüssigkeit des Vorbringens des Beklagten sind unbegründet. Es reichte aus, daß der Beklagte behauptete, bei dem Telefongespräch am 3. Februar 1978 sei der Mietvertrag aufgehoben worden.

2. Die Revision wendet sich ferner zu Recht gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Aussage der vom Beklagten benannten Zeugin nicht verwertet werden dürfe, weil diese ihr Wissen in rechtswidriger Weise erlangt habe. Weder die Erlangung des Beweismittels durch den Beklagten noch dessen Verwertung im Prozeß verletzt hier die Regeln der materiellen, Rechtmäßigkeit.

a) Der Bundesgerichtshof hat bereits in einer Entscheidung vom 21. Oktober 1963 (Anw St (R) 2/63 = NJW 1964, 165 = MDR 1964, 166) ausgeführt, daß das Mithören eines Telefongespräches über eine Mithöreinrichtung nicht ungewöhnlich sei, im wirtschaftlichen Leben öfters angetroffen werde und rein sachliche Gründe haben könne, die nicht mit dem Makel der Überlistung und damit der Unanständigkeit belastet seien. Wenn, wie in dem seinerzeit entschiedenen Fall, ein Telefongespräch vom Geschäftszimmer eines Kaufmanns aus geführt werde, müsse beim heutigen Stand der Technik der Gesprächspartner damit rechnen, daß eine Mithöreinrichtung angeschlossen sei und das Gespräch von dritter Seite mitgehört werde. Verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 1 GG und Art. 2 GG hat der Senat verneint (insoweit nicht veröffentlicht) und festgestellt, daß nicht jedes dem Sprechenden unbekannte Mithören eines Telefongesprächs durch Dritte sein Persönlichkeitsrecht verletze. Hieran ist festzuhalten.

Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahre 1963 ist die Entwicklung im Fernsprechbereich weitergegangen. Ist Wirtschafts- und Geschäftsleben sind Tonaufnahmegeräte und Mirhöranlagen inzwischen gang und gäbe geworden. Wie sich aus den veröffentlichten Geschäftsberichten der Deutschen Bundespost entnehmen läßt, hat sich die Zahl der Fernsprechanschlüsse von ca. 4 Mio. Ende 1963 auf ca. 12 Mio. Ende 1975 und ca. 22 Mio. Ende 1981 erhöht. Das Telefon wird also nicht mehr vorwiegend geschäftlich genutzt, sondern es ist mittlerweile in den meisten privaten Haushalten vorhanden und zu einem normalen Kommunikationsmittel geworden. Hinzu kommt, daß die Bundespost wie auch private Hersteller vermehrt Zusatzeinrichtungen, anbieten, die das Telefonieren erleichtern. Dazu gehören insbesondere auch Mithörgeräte, wie der Beklagte hier eines benutzt hat.

Es kann daher heute nicht mehr davon ausgegangen werden, daß Mithöreinrichtungen nur noch in geschäftlich genutzten Räumen verwendet werden. Wer sich heute eines Fernsprechers bedient, muß aufgrund dieser Entwicklung vielmehr damit rechnen, daß auch bei privaten Telefonanschlüssen Mithörgeräte angeschlossen sind und benutzt werden. Darauf, daß ein Mithörgerät bei solchen Anschlüssen nicht verwendet wird, darf er daher grundsätzlich auch dann nicht vertrauen, wenn der Gesprächspartner ihn nicht auf den Anschluß eines solchen Gerätes hinweist. Wie allerdings die Frage der Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu entscheiden wäre, wenn das Verhalten des Anrufenden bewußt und aktiv auf Täuschung des Gesprächspartners angelegt ist, wenn etwa der Inhalt des Gesprächs vertraulichen Charakter hat oder wenn der Gesprächspartner ausdrücklich erklärt, er lege Wert auf Vertraulichkeit, obwohl das Gespräch vom Inhalt her nicht als vertraulich erkennbar ist, kann offen bleiben. Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor. Das Telefongespräch zwischen, den Parteien am 3. Februar 1978 hatte keinerlei vertraulichen, sondern einen rein geschäftlichen Inhalt. Es ging um die Aufhebung des Mietvertrages vom 21. Mai 1977. Daß er dennoch das Gespräch als vertraulich behandelt haben wollte, hat der Kläger nicht zu erkennen gegeben.

b) Ein Beweiserhebungsverbot läßt sich auch nicht auf § 201 Abs. 2 StGB stützen. Die Zeugin hat ihr Wissen nicht auf strafbare Weise, etwa durch Verletzung der durch § 201 Abs. 2 StGB geschützten Vertraulichkeit des Wortes erlangt. Nach dieser Vorschrift wird, bestraft, wer unbefugt das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte, nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört. Grundsätzlich, fällt auch das fernmündlich gesprochene Wort unter § 201 StGB (OLG Karlsruhe NJW 1979, 1513; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 20. Aufl. § 201 Rdn. 5; Lackner, StGB, 14. Aufl. § 203 Anm. 3 a). Nach § 201 Abs. 2 StGB macht sich, jedoch, nur strafbar, wer ein Telefongespräch unter Einsatz verbotener technischer Mittel abhört. Zu den Abhörgeräten im Sinne des § 201 Abs. 2 StGB gehören etwa versteckt angebrachte Mikrofone, Richtmikrofone, drahtlose Kleinstsender sowie Vorrichtungen zum „Anzapfen” von Telefonleitungen (Dreher/Tröndle, StGB, 40. Aufl. § 201 Rdn. 6; Mösl in LK-StGB, 9. Aufl. § 298 Rdn. 9; Lenckner, a.a.O., § 201 Rdn. 23). Auf Geräte dieser Art ist der Tatbestand des § 201 Abs. 2 StGB beschränkt, weil ihr Einsatz einen besonders gefährlichen Angriff auf den geschützten Bereich und auf die Kontrolle der Sprechenden über die Reichweite ihrer Äußerungen darstellt. Im Telefon eingebaute Lautsprecher, Zweithörer oder sonstige Mithöreinrichtungen sind nicht als Abhörgeräte im Sinne des § 201 Abs. 2 StGB, anzusehen (Schlund BB 1976, 1491, 1492 Fußn. 19). Die gegenteilige Auffassung (Lenckner, a.a.O., § 201 Rdn. 23) verkennt die Intention des Gesetzgebers, der eine einschränkende Auslegung des weit gefaßten Tatbestandes des § 201 StGB vorgesehen hat (BT-Drucks. 7/550, S. 236). Bereits die Strafrechtskommission war der Auffassung, daß die Fälle Mithörens durch einen Zweithörer als straflos ausscheiden (Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, Bd. 9, 91. bis 103. Sitzung, S. 398).

III. Daraus folgt, daß das Berufungsurteil mit der ihm gegebenen Begründung nicht bestehenbleiben kann. Denn es beruht auf der rechtlich nicht haltbaren Annahme, daß der Beklagte für die Behauptung eines Mietaufhebungsvertrages beweisfällig geblieben sei, weil die Aussage der einzigen von ihm benannten Zeugin nicht verwertbar sei. Unter Aufhebung des Berufungsurteils war deshalb die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IV. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, wie es die Aussage der Zeugin von R. würdigt oder ob es unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine erneute Vernehmung vornimmt (Senatsurteil vom 23. Juni 1976 – VIII ZR 15/75 = LM ZPO, § 398 Nr. 8 = NJW 1976, 1742; vom 8. Dezember 1976 – VIII ZR 108/75 = NJW 1977, 384; BGH Urteil vom 14. Oktober 1981 – IV a ZR 152/80 = WM 1982, 16). Hierzu bestünde möglicherweise schon deshalb Anlaß, weil die Art und Weise, wie die Zeugin nach dem Vertrag des Beklagten ihr Wissen erlangt hat, Schlüsse im Hinblick auf Ihre Glaubwürdigkeit nahelegen könnte, ganz abgesehen davon, daß es bei einem Geschäftsmann wie dem Kläger, einem Bankier und Fachmann in Liegenschaftsverwaltung, jedenfalls nicht naheliegt, auf die bloße telefonische Mitteilung der subjektiven Unverträglichkeit des oberbayerischen Klimas in die endgültige Aufhebung eines langjährigen günstigen Mietvertrages einzuwilligen.

 

Unterschriften

Braxmaier, Wolf, Merz, Treier, Dr. Brunotte

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237750

NJW 1982, 1397

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1982, 494

JZ 1982, 375

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