Leitsatz (amtlich)

Missachtet der geschädigte Fahrzeugführer in einem Baustellenbereich den Verkehr regelnde Verkehrszeichen und Linien und gerät er deswegen in den Arbeitsbereich der Baustelle, wo er verunfallt, kommt eine Amtshaftung des für die Baustelle verkehrssicherungspflichtigen Landes nicht in Betracht, wenn sich eine evtl. unzureichende Baustellenabsicherung im Unfallgeschehen nicht ausgewirkt hat.

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Aktenzeichen 2 O 266/21)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Dem Kläger stehen aufgrund des Verkehrsunfalls am 00.09.2019 Schadensersatzansprüche aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG - der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage - gegen das beklagte Land nicht zu.

Der Senat teilt die Auffassung und die Begründung des Landgerichts, wonach das beklagte Land vorliegend passivlegitimiert ist.

Davon ausgehend hat das Landgericht zutreffend den Umfang der bei dem beklagten Land verbleibenden Teils der Verkehrssicherungspflicht für die Fälle dargestellt, in denen die Verkehrssicherungspflicht im Zusammenhang mit Straßenbauarbeiten an einen privaten Bauunternehmer übertragen wird, so dass auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Urteil verwiesen werden kann.

Dies zugrunde gelegt ist das Landgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die durch die Baustelle geschaffene Gefahr durch die vorhandenen Einrichtungen hinreichend erkennbar gewesen sei und der Umstand, dass der Kläger in den Schadensbereich der Baustellenbereich gelangte - auch unter Zugrundelegung der von dem Kläger behaupteten Sichtverhältnisse -, eine Haftung des beklagten Landes nicht begründet.

Der Unfall ist, auch wenn man die Sachverhaltsdarstellung des Klägers zugrunde legt, allein von ihm zu verantworten und nicht (auch) auf eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes zurückzuführen.

Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger, als er vor dem Richtzeichen 430 (Pfeilwegweiser zur Autobahn, im Folgenden: Hinweisschild) nach rechts abbog, mehrere für ihn auch im Falle auftretenden Nebels erkennbare Verkehrsregeln missachtet hat, die gerade bewirken sollten, dass Verkehrsteilnehmer nicht in den schadensträchtigen Baustellenbereich gelangen. Zum einen hätte er die durchgezogene Linie (Zeichen 295) nicht überfahren dürfen; zum anderen hätte er an der Pfeilbake, vor welcher er nach rechts abgebogen sein will, auf deren linker Seite passieren müssen. Die zur Kennzeichnung von Arbeitsstellen aufgestellten Baken verbieten gerade das Befahren der durch sie abgegrenzten Straßenfläche und leiten den Verkehr an dieser Fläche vorbei (vgl. Spalte 3 zu lfd. Nr. 1-7 der Anlage 4 zu § 43 Abs. 3 StVO). Zur weiteren Begründung der durch den Kläger begangenen Verkehrsverstöße wird ergänzend auf die zutreffenden Ausführungen unter Ziff. 3 Buchst. a) und b) der Entscheidungsgründe im angegriffenen Urteil Bezug genommen.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich eine etwaige Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des beklagten Landes jedenfalls nicht unfallursächlich auf den Verkehrsunfall ausgewirkt hat. So war zum einen der konkrete Abstand zwischen den Leitbaken nicht geeignet, den Anschein zu erwecken, dass im Bereich des Hinweisschildes zusätzlich zur Fahrspur eine Abbiegespur geöffnet wird. Auch war der Standort des Hinweisschildes nicht geeignet, bei einem Verkehrsteilnehmer den Eindruck zu erwecken, dass vor diesem eine Abbiegespur eröffnet wird. Zur Begründung wird auch insoweit vollumfänglich auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen, welche im Hinblick auf die mit der Berufung erhobenen Einwände lediglich in einzelnen Punkten zu ergänzen sind:

Zunächst begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht nicht überprüft hat, ob für den Unfallbereich ein gültiger Beschilderungsplan vorlag und ob dieser den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort entsprochen hat. Für die Beurteilung einer etwaigen Verkehrssicherungspflichtverletzung ist dies im vorliegenden Falle unerheblich. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch i...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge