Leitsatz (amtlich)

Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei Täteridentifzierung anhand eines Lichtbildes und aufgrund eines Sachverständigengutachtens.

 

Verfahrensgang

AG Gütersloh (Entscheidung vom 17.10.2006)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Gütersloh zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Gütersloh hat mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 150,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 02.12.2004 gegen 17.38 Uhr mit dem von ihm geführten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen GT-xxxx in 33442 Herzebrock-Clarholz die Groppeler Str. (L 927) in Fahrrichtung Herzebrock. In dem außerhalb der geschlossenen Ortschaft liegenden Bereich überschritt er bei km 1,9 die dort durch beidseitig der Fahrbahn aufgestellte Zeichen 274 auf 70 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit um 53 km/h. Die mit einer stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlage des Typs Traffipax "speedophot" gemessene Geschwindigkeit betrug 127 km/h. Zugunsten des Betroffenen erfolgte ein Toleranzabzug in Höhe von 4 km/h.

Der Betroffene hat sich ausweislich der Urteilsgründe zur Sache zunächst dahin eingelassen, er sei nicht gefahren. Als Fahrer kämen sein Bruder Ed., dessen ladungsfähige Anschrift der Betroffenen mitgeteilt hat, sein Bruder Re. und sein Mitarbeiter Da. in Betracht. Später hat der Betroffene erklärt, sich zur Sache nicht mehr einzulassen.

Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen wie folgt begründet:

"Das Gericht ist zunächst davon überzeugt, dass es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer des PKW handelte, der zur angegebenen Tatzeit von der der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage angeschlossenen Kamera fotografiert worden ist.

Wegen der Einzelheiten der Abbildung wird auf die Foto Bl. 8 - 10 d.A. verwiesen, §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO.

Das Gericht hat den Betroffenen während der Verhandlung in Augenschein nehmen können. Es hat festgestellt, dass es sich bei dem Betroffenen um die auf dem Foto auf Bl. 1 c der Akte oben wiedergegebene männliche Person handelt.

Diese Feststellung stützt sich auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H..

Der Sachverständige hat Auszüge von dem Messfoto gefertigt. Wegen dieser Auszüge wird gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Fotos Bl. 79 d.A. Bezug genommen. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass auf diesen Auszügen insgesamt 20 beschreibbare Gesichtsmerkmale zu sehen sind, u.a. die Gesichtszüge, das Gesichtsrelief, die Wangenknochen, die Polsterung der Unterkieferränder, den Augenbrauenabstand, die Lidspalte, die Form des Mundes, die Form der Kinnregion und die Kontur des linken Ohres. Weiterhin hat der Sachverständige von dem Betroffenen und dem Zeugen Ed. Z. in der Hauptverhandlung Polaroidfotos und Digitalfotos gefertigt. Anhand der Polaroidfotos, wegen deren Einzelheiten gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf Bl. 101 d.A. verwiesen wird, hat er zunächst erläutert, warum der Zeuge als Fahrer nicht in Betracht kommt. Er hat ausgeführt, dass das Längen-Breitenverhältnis des Gesichts, die Form der Wangenknochen, die Form des Gesichts und die Form der Augenbrauen des Zeugen nicht mit den entsprechenden Merkmalen der Person auf dem Messfoto übereinstimmen.

Anschließend hat der Sachverständige nachgewiesen, dass sämtliche auf dem Messfoto erkennbare Merkmale in identischer Form auf den Polaroidfotos wieder zu finden sind. Schließlich hat der Sachverständige anhand digitalisierter Aufnahmen des Messfotos und des Betroffenen auf dem Bildschirm seines Notebooks die Identität der Proportionen beider Gesichter belegt, indem er beide Fotos übereinander gelegt hat. Angesichts dieser Ausführungen hatte das Gericht, das den Sachverständigen aus zahlreichen Verhandlungen als zuverlässig und sachkundig kennen gelernt hat, keine Zweifel an der Fahrereigenschaft des Betroffenen."

...

"Die von dem Betroffenen ursprünglich aufgezeigte Möglichkeit, dass noch zwei weitere Personen als Fahrer in Betracht kommen, musste außer Betracht bleiben. Der Betroffene hat trotz Aufforderung des Gerichts die ladungsfähigen Anschriften für diese Personen nicht benannt. Das Gericht ist unter diesen Umständen nicht verpflichtet, von sich aus zu ermitteln, wer eventuell noch das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt haben könnte."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 19.10.2006, die am 23.10.2006 beim Amtsgericht Gütersloh eingegangen ist, und welche nach Zustellung des Urteils am 31.10.2006 durch am 30.11.2006 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz des Verteidigers des Betroffenen näher begründet worden ist.

II.

Die Recht...

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