Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Rechtswegs, wenn im Rahmen einer beim Landgericht erhobenen Klage als Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 DSGVO auch ein Amtshaftungsanspruch in Betracht kommt

 

Normenkette

BGB § 839 i.V.m; DSGVO Art. 82; GG Art. 34; GVG § 17

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 1 O 253/21)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 08.08.2022 gegen den Beschluss des Landgerichts Essen vom 18.07.2022 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,- EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Beamter (..) und hat sich mehrfach bei der Bundes(..) auf ausgeschriebene Stellen beworben. Zudem war er für die Beklagte bereits bei der Bundes(..) A als Ausbilder/Fachlehrer tätig.

Mit der seiner Ende des Jahres 2021 beim Landgericht Essen erhobenen Klage macht der Kläger Ansprüche auf Auskunft betreffend die Verarbeitung seiner dort vorliegenden personenbezogenen Daten geltend (= Klageanträge zu 1.) bis 8.)). Darüber hinaus macht er mit dem Vorwurf, dass die Beklagte sein vorprozessuales Auskunftsbegehren nicht fristgerecht und vollständig erfüllt habe, einen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 5.000,- EUR geltend (= Klageantrag zu 9.)).

Mit Beschluss vom 18.07.2022 hat das Landgericht Essen hinsichtlich der Anträge zu 1.) bis 8.) gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und hinsichtlich ihrer das Verfahren abgetrennt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verwiesen. Hinsichtlich des Klageantrages zu 9.) hat das Landgericht gemäß § 17a Abs. 3 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig erklärt.

Gegen Letzteres wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 08.08.2022, welche am gleichen Tag beim Landgericht Essen eingegangen ist. Sie meint, das Landgericht hätte auch für den Klageantrag zu 9.) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklären und den Rechtsstreit insgesamt an das Verwaltungsgericht verweisen müssen. Auch für den vom Kläger mit dem Klageantrag zu 9.) geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSVGO sei gemäß § 126 Abs. 1 BBG der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Die Rechtsweggarantie des Art. 34 Satz 3 GG sei insoweit nicht einschlägig. Nach Art. 34 S. 3 GG dürfe nur für Amtshaftungsansprüche die Zuständigkeit der allgemeinen ordentlichen Gerichte nicht ausgeschlossen werden. Die Rechtsweggarantie des Art. 34 S. 2 BGB betreffe danach allein die auf den Staat übergeleitete verschuldensabhängige Haftung seiner Beamten nach § 839 BGB. Bei dem Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO handele es sich aber nicht um eine solchermaßen übergeleitete verschuldensabhängige Haftung, sondern um einen unionsrechtlichen Schadensersatzanspruch sui generis, der unabhängig von einem Verschulden des Verantwortlichen bzw. Schädigers sei. Auch der Bundesfinanzhof habe jüngst mit Beschluss vom 28.06.2022 (II B 92/21) entschieden, dass die vom Hessischen Landessozialgericht vertretene Rechtsauffassung, wonach Art. 34 S. 3 GG (jegliche) schadensersatzrechtliche Haftungsreglungen des Staates umfasse, wenn hoheitliches Handeln eines seiner Amtswalter rechtwidrig einen kompensationsfähigen Schaden verursacht habe, zu weitergehend sei, weil die Staatshaftung nach aktueller Rechtslage lediglich durch Überleitung der Eigenhaftung des Amtsträgers auf den Staat entstehe. Für den Fall, dass weder das Landgericht noch der Senat dieser Auffassung nicht folgen sollte, beantragt die Beklagte, die weitere Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 S. 4 GVG zuzulassen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens der Beklagten wird auf Blatt 237 bis 243 der Akten Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29.08.2002 entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat das Landgericht ergänzend ausgeführt, dass vorliegend der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten deshalb gegeben sei, weil für den Klageantrag zu 9.) das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zumindest ernsthaft in Betracht komme und sich sodann seine ausschließliche Zuständigkeit aus § 71 Abs. 2 GVG ergebe. Die Zuständigkeit der Zivilgerichte für Amtshaftungsansprüche werde durch den konkurrierenden Anspruch nach Art. 82 DSGVO nicht beseitigt. Die Kammer vertrete insoweit vorläufig die Ansicht, damit auch konkurrierende Ansprüche prüfen zu dürfen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Blatt 246 bis 249 der Akten Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 08.08.2022 gegen den Beschluss des Landgerichts Essen vom 18.07.2022 gemäß § 569 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 1 und 3 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere rechtzeitig von der Beklagten innerhalb der zweiwöchigen Beschw...

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