Leitsatz (amtlich)

1. Zur Feststellung der Tierhaltereigenschaft ist darauf abzustellen, wer als "Unternehmer" des mit der Tierhaltung verbundenen Gefahrenbereiches anzusehen ist, so dass im Einzelfall eine Minderjährige als Eigentümerin eines Hundes und / oder - wie hier ausschließlich - deren Mutter als Kostenträgerin Hundehalterin sein kann (im Anschluss an BGH Urt. v. 6.3.1990 - VI ZR 246/89, NJW-RR 1990, 789 = juris Rn. 24).

2. Ist unklar, welcher von zwei Hunden während ihres Streits zugebissen hat, muss dies - so hier - der Feststellung der Verwirklichung der Tiergefahr (BGH Urt. v. 26.4.2022 - VI ZR 1321/20, r+s 2022, 410 Rn. 9) nicht entgegenstehen (im Anschluss an OLG Hamm Urt. v. 10.5.2019 - 9 U 8/18, BeckRS 2019, 33850 Rn. 5; OLG Karlsruhe Urt. v. 1.9.2019 - 7 U 24/19, BeckRS 2019, 21975 Rn. 15; OLG München Urt. v. 12.12.2018 - 20 U 1474/18, BeckRS 2018, 33058 Rn. 13; OLG Hamm Beschl. v. 28.5.2013 - 9 U 13/13, BeckRS 2015, 3395).

3. Ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB kann angenommen werden, wenn ein Hundehalter bei einem aktiven - hier nicht festgestellten - Versuch verletzt wird, sich streitende bzw. beißende Hunde zu trennen (im Anschluss an OLG Hamm Urt. v. 10.5.2019 - 9 U 8/18, BeckRS 2019, 33850 Rn. 10; OLG Celle Urt. v. 17.3.2014 - 20 U 60/13, r+s 2014, 524; OLG Karlsruhe Urt. v. 18.9.2019 - 7 U 24/19, BeckRS 2019, 21975 Rn. 24).

 

Normenkette

BGB § 254 Abs. 1, § 833

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 205/21)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten vom 10.5.2022 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aufgrund eines Hundebisses in Anspruch.

Die Klägerin ist Halterin eines Golden Retrievers, mit welchem sie am 0.0.2021 gegen 16:00 Uhr spazieren ging. Auf Höhe eines Parkplatzes auf der A-Straße in C begegnete sie der zum damaligen Zeitpunkt 12 Jahre alten Tochter der Beklagten, der Zeugin D. Diese ging mit ihrer damals sieben Jahre alten Französischen Bulldogge, die sie von ihrem in B lebenden Vater als Welpe geschenkt erhalten hat, spazieren. Um den Hund der Zeugin D kümmert sich vornehmlich diese selbst, wobei sie von der Beklagten unterstützt wird, indem diese beispielsweise ab und zu mit dem Hund spazieren geht. Der Hund der Zeugin D war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls aus unter den Parteien streitigen Umständen nicht angeleint und rannte auf den Hund der Klägerin, den diese an einem Hundegeschirr führte, zu. Das weitere Geschehen, in dessen Rahmen die Klägerin eine Bissverletzung an der rechten Hand erlitt, ist unter den Parteien im Einzelnen streitig.

Die Klägerin erlitt eine blutende Wunde an der rechten Hand und wurde mittels Rettungswagen ins Krankenhaus verbracht, wo die Wunde erstversorgt wurde. Aufgrund einer Wundinfektion wurde die Klägerin am 22.2.2021 stationär aufgenommen, in der Folge an der Hand operiert und befand sich bis zum 2.3.2021 in stationärer Behandlung. Sie war bis zum 17.6.2021 arbeitsunfähig und musste sich in krankengymnastische Behandlung begeben. Die Verletzung ist bis heute nicht vollständig ausgeheilt, insbesondere kann die Klägerin, trotz der Krankengymnastik, die Hand aufgrund der Beeinträchtigung der Strecksehne nicht mehr richtig öffnen und schließen. Eine weitere Operation der Strecksehne ist nicht ausgeschlossen. Zudem erlitt die Klägerin durch die Bissverletzung eine deutlich sichtbare Narbe an der rechten Hand. Bei Beanspruchung der Hand schwillt diese nach wie vor an.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage den Ersatz materieller Schäden in Höhe von 177,74 EUR (vgl. Aufstellung Bl. 6 der erstinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden: eGA I-6) sowie die Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 6.000,00 EUR geltend gemacht und zudem die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 EUR und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis vom 0.0.2021, zu ersetzen, sowie diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen werden oder übergegangen sind.

Mit dem angefochtenen Urteil (eGA I-204 - 218), auf dessen Feststellungen wegen der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 20 % verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 EUR und auf materielle Schäden 142,19 EUR zu zahlen. Weiter hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 EUR freizustellen und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 80 % sämtliche weiteren materiellen un...

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