Leitsatz (amtlich)

Wird ein beim Landgericht gegen zwei Beklagte geführtes Verfahren getrennt, bleibt die Zuständigkeit des Landgerichts für jedes der Verfahren nicht bereit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO (sog. perpetuatio fori) bestehen, wenn die (in der Summe den Wert von 5.000 Euro übersteigenden) Klageanträge gegen die Beklagten auf dasselbe wirtschaftliche Interesse gerichtet und deswegen nicht gemäß § 5 1. HS ZPO zu addieren sind. Zur Berechnung des Feststellungsinteresses für die Nutzungsentschädigung eines Gebrauchtfahrzeugs und zu der Frage, wann die Berechnung als willkürlich und nicht mehr verbindlich anzusehen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 5, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 261 Abs. 3 Nr. 2

 

Tenor

Sachlich zuständig ist das Landgericht I.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen dem Amts- und Landgericht I in Bezug auf die Frage der sachlichen Zuständigkeit i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.

1. Die Klägerin bestellte am 20.01.2014 bei der vormals erstbeklagten Verkäuferin des Kraftfahrzeugs einen Audi A 1, Typ 1.6 TDI Ambition, für 18.500,- EUR. Es handelte sich um ein gebrauchtes Fahrzeug, erstzugelassen am 10.04.2013 mit einem Vorbesitzer und einer Gesamtfahrleistung zum Zeitpunkt der Übergabe an die Klägerin von 7.704 km (Anl. K 1 = Bl. 73 d.A.). Dabei gab sie einen ebenfalls gebrauchten VW Polo für 5.500,- EUR in Zahlung. Den Restbetrag von 13.000,- EUR überwies sie auf ein Konto der ehemals Erstbeklagten bei der D-bank P. Mit Schreiben vom 21.01.2014 übermittelte die Erstbeklagte der Klägerin daraufhin eine Rechnung über den Gesamtkaufpreis von 18.500,- EUR (Anl. K 2 = Bl. 77 d.A.).

Mit Schreiben vom 12.05.2016 erklärte die Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und setzte der Erstbeklagten eine Frist zur Rückabwicklung bis zum 27.05.2016 (Anl. K 2 = Bl. 80 ff. d.A.). Zur Begründung berief sie sich darauf, die sog. Vorschalteinrichtung des Fahrzeugs sei mit einer Software ausgestattet, die dazu diene, bei Messungen einen geringeren als den tatsächlichen Schadstoffausstoß anzuzeigen. Dies stellt die Erstbeklagte mit Schreiben vom 17.05.2016 in Abrede und bot der Klägerin ein Softwareupdate an, das ihren Angaben zufolge für einen Kostenaufwand von 56,- EUR durchgeführt werden konnte (Anl. K 3 = Bl. 84 ff. d.A.).

Auf dieses Angebot ging die Klägerin nicht. Sie veräußerte das Fahrzeug stattdessen am 13.12.2016 für 10.000,- EUR an einen Dritten weiter. Die Fahrleistung betrug zum Zeitpunkt der Übergabe an ihn 69.300 km (Anl. K 3 = Bl. 87 d.A.).

2. Mit ihrer ursprünglich beim Landgericht P am 18.10.2017 eingegangen Klage hat die Klägerin von der vormals erstbeklagten Verkäuferin des Fahrzeugs die Rückzahlung des Kaufpreises von 18.500,- EUR Zug um Zug gegen Zahlung eines Wertersatzes statt Rückgabe des Fahrzeugs und Zahlung einer Entschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs sowie gegen die nunmehr Alleinbeklagte die Feststellung begehrt, dass sie verpflichtet sei, ihr Ersatz für die Schäden zu leisten, die aus der Manipulation des Fahrzeugs mit einer sog. Vorschalteinrichtung entstanden seien.

Zu dem von der Beklagten zu ersetzenden Schaden hat die Klägerin in der Klageschrift vorgetragen, dass dieser noch nicht zu beziffern sei, insbesondere wegen möglicher Steuernachforderungen und Kosten, die mit der Stilllegung des Fahrzeugs verbunden seien, sowie möglicher Körperschäden, die dadurch entstehen könnten, dass das Fahrzeug nicht ordentlich geführt werden könne (vgl. Bl. 71 d.A.).

Zur Höhe des Nutzungsersatzes hat sie eine Laufleistung von unterhalb von 300.000 km bestritten und als unrealistisch bezeichnet. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte gerade mit der besonderen Qualität ihrer Fahrzeuge und Motoren werbe, sei von einer Gesamtlaufleistung von mindestens 400.000 km auszugehen (Bl. 486 d.A.).

3. Das Landgericht P hat den Streitwert mit Beschluss vom 24.10.2017 vorläufig auf 22.000,- EUR festgesetzt (Bl. 137 d.A.). Auf dieser Grundlage hat die Klägerin einen Gerichtskostenvorschuss gezahlt.

Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts P gerügt (Bl. 155 f. d.A.). Die Klägerin hat darauf mit Schriftsatz vom 08.12.2017 reagiert und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht I beantragt (Bl. 157 d.A.). Das Landgericht P hat danach das Verfahren gegen die beiden Beklagten abgetrennt und sich im Verfahren gegen die nunmehr allein Beklagte für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit insoweit mit Beschluss vom 13.12.2017 an das Landgericht I verwiesen (Bl. 160 ff. d.A.).

Nach Eingang der Akten beim Landgericht I hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr Ersatz für Schäden zu leisten, die aus der Manipulation des Fahrzeugs entstanden seien und sie von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten freizustellen (Bl. 1159 d.A.).

4. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.09.2018 hat das Landgericht die Klägerin darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die s...

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