Normenkette

ZPO §§ 103, 126; BRAGO §§ 121, 130

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 6 O 304/98)

 

Tenor

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung sowie des Beschlusses der Rechtspflegerin des LG Hagen vom 13.10.1999, durch den der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Anwalts zurückgewiesen worden ist, hat die Rechtspflegerin die Festsetzung vorzunehmen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde hat Erfolg, weil der gesetzliche Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 1) gegen den Beteiligten zu 2) nicht durch ein pflichtwidriges und grob fahrlässiges Verhalten des Beteiligten zu 1) untergegangen ist, sondern nach wie vor (einredefrei) besteht.

Durch die Beiordnung wird zwar ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet, aber der beigeordnete Rechtsanwalt nicht verpflichtet, fiskalische Belange wahrzunehmen. Vielmehr bleibt er Interessenvertreter seines Mandanten, auch soweit es darum geht, diesen vor unnötigen Kosten zu bewahren oder dessen Kostenerstattungsansprüche durchzusetzen. In Verfolgung dieser Ziele ist er nicht gehalten, mögliche Drittwirkungen seiner Interessenvertretung im vorraus zu bedenken und diese danach auszurichten, ob einem anderen Nachteile drohen. Das gilt auch im Verhältnis zum Fiskus als Schuldner seines Vergütungsanspruchs. Ein beigeordneter Rechtsanwalt ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, im Rahmen seiner Parteivertretung von sich aus dafür Sorge zu tragen, dass gem. § 130 BRAGO ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch der Partei gegen den Gegner auf die Landeskasse übergeht, soweit er dieser ggü. seinen Vergütungsanspruch geltend macht.

Allerdings liegt dem gesetzlichen Anspruchsübergang gem. § 130 BRAGO die Vorstellung zugrunde, dass sich der Fiskus, soweit er den beigeordneten Anwalt bezahlt, bei einem erstattungspflichtigen Gegner der unterstützten Partei soll erholen können. Nach dem allgemeingültigen Grundsatz von Treu und Glauben darf der beigeordnete Anwalt dieses Ziel nicht dadurch unterlaufen, dass er im Interesse seines Mandanten oder gar in Absprache mit diesem versucht, den gesetzlichen Anspruchsübergang zu verhindern, um die Erstattungsforderung gegen den Gegner zugunsten seiner Partei verwerten zu können. Ebenso wenig wie er einerseits die Belange des Fiskus wahrzunehmen braucht, darf er zum anderen diesen Beklagten in Nachteilsabsicht entgegenwirken.

Als der Beteiligte zu 1) die Kostenfestsetzung gem. § 103 ZPO beantragte, stand es ihm grundsätzlich frei, die Erstattungsforderung seines Mandanten zu verfolgen. Dass die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch noch ausstand, musste ihn daran nicht hindern. Er war nicht verpflichtet, im Interesse des Fiskus weiter zuzuwarten oder gar an die ausstehende Entscheidung zu erinnern. Das gilt auch dann, wenn er damit gerechnet haben sollte, dass der Gegner womöglich gegen die festzusetzende Forderung aufrechnen werde. Allein dieser Umstand hätte ihn nicht zum Nachteil des Fiskus bösgläubig sein lassen, weil noch unklar war, ob er tatsächlich einen Vergütungsanspruch nach § 126 BRAGO erlangen würde.

Im Übrigen erscheint es sehr zweifelhaft, dass der Beteiligte zu 1) mit der erklärten Aufrechnung tatsächlich gerechnet hat, weil dadurch auch die Durchsetzung seiner Regelgebühren zumindest gefährdet worden ist. Um das zu vermeiden, hätte es nahe gelegen, erst die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch herbeizuführen und alsdann nach § 126 ZPO vorzugehen. Dass er dies nicht getan hat, spricht eher gegen das Bewusstsein des Beteiligten zu 1), der Kostenschuldner könne die Aufrechnung erklären. Die Möglichkeit der Unkenntnis geht zu Lasten des Beteiligten zu 2), da dieser für die Voraussetzungen eines Anspruchsverlustes des Beteiligten zu 1) darlegungsbelastet ist.

Eine Unkenntnis des Beteiligten zu 1) stünde seiner Kenntnis auch dann nicht gleich, wenn sich die Aufrechnungslage ihm hätte aufdrängen müssen. Denn er war niemandem ggü. verpflichtet, hiernach Ausschau zu halten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 128 Abs. 5 BRAGO.

Sandmann Schnapp Rautenberg

 

Fundstellen

Haufe-Index 1105977

OLGR Hamm 2002, 363

AGS 2002, 18

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