Leitsatz (amtlich)

1. Die Verweisung einer Ehesache an ein anderes Gericht ist analog § 281 Abs. 1 ZPO auch schon im Verfahren auf Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe zulässig. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses beschränkt sich jedoch dann auf das Verfahren zur Prüfung der Verfahrenskostenhilfe.

2. Die Verweisung ist nicht willkürlich, wenn das verweisende Familiengericht auf Wertungswidersprüche der gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen hinweist, die für die örtliche Zuständigkeit teilweise auf die Anhängigkeit eines Antrags (vgl. §§ 2 Abs. 2, 124, 152 Abs. 1 FamFG) und teilweise auf die Rechtshängigkeit eines Antrags (vgl. §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 261 Abs. 1, Abs. 3 ZPO, 153 FamFG) abstellen.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

AG Dortmund (Aktenzeichen 105 F 4478/15)

 

Tenor

Als für das Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zuständiges Gericht wird das AG - Familiengericht - Dortmund bestimmt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind seit Mitte 2013 voneinander getrennt lebende Ehegatten. Die Beteiligten stammen gebürtig aus O. Sie besitzen mittlerweile die deutsche Staatsangehörigkeit. Die 7 und 10 Jahre alten Kinder der Beteiligten leben vereinbarungsgemäß im Haushalt der Antragstellerin.

Mit am 21.08.2015 bei dem AG Dortmund eingegangener Antragsschrift hat die Antragstellerin die Scheidung der am xx. xx. 2004 in M/O geschlossenen Ehe der Beteiligten begehrt und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Der VKH-Antrag ist noch nicht beschieden, eine Zustellung des Scheidungsantrags noch nicht erfolgt. Zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags hatten die Beteiligten ihren jeweiligen Wohnsitz in Dortmund. Im August 2015 wechselten die genannten Kinder in den Haushalt einer in Menden wohnenden Freundin der Antragstellerin. Die Antragstellerin beabsichtigte, mit den Kindern nach Menden umzuziehen; sie konnte dort jedoch zunächst keine Wohnung finden. Zum 01.11.2015 hat die Antragstellerin mit den Kindern in Menden eine eigene Wohnung bezogen.

Mit Verfügung vom 16.11.2015 hat das AG - Familiengericht - Dortmund das Verfahren mit der Bitte um Übernahme an das AG - Familiengericht - Menden abgegeben und zur Begründung auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Antragstellerin mit den Kindern in Menden hingewiesen. Die vorstehende Verfügung hat das Familiengericht den Beteiligten bekannt gegeben. Mit am 02.12.2015 erlassenen Beschluss hat sich das Familiengericht in Menden für örtlich unzuständig erklärt, die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und das Verfahren nach vorheriger Anhörung der Beteiligten an das Familiengericht in Dortmund verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Familiengericht in Dortmund sei nach § 122 Nr. 3 FamFG ausschließlich örtlich zuständig, weil die Beteiligten vor der Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens zuletzt gemeinsam in Dortmund gelebt hätten und der Antragsgegner dort nach wie vor seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Wegen der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO berühre der Umzug der Antragstellerin zu ihren Kindern nach Menden die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts in Dortmund nicht. Denn für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit sei unter Berücksichtigung der §§ 2 Abs. 2, 124 FamFG der Zeitpunkt der Anhängigkeit des Verfahrens maßgebend. Der Begriff der Rechtshängigkeit in § 261 Abs. 3 ZPO müsse daher in Ehesachen im Sinne der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens verstanden werden. Dafür spreche auch die Regelung des § 152 Abs. 1 FamFG, der die Kindschaftssachen schon bei Anhängigkeit der Ehesache bei dem Familiengericht der Ehesache konzentriere. Dies verbiete eine Verweisung sämtlicher Verfahren, sofern - wie hier - zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit Änderungen der zuständigkeitsbegründenden Umstände eintreten würden und damit entgegen § 155 FamFG eine Verzögerung der Verfahren einhergehe.

Das Familiengericht in Menden hat den Beteiligten seinen Beschluss ordnungsgemäß bekannt gemacht.

Mit am 16.12.2015 erlassenen Beschluss hat sich auch das AG - Familiengericht - Dortmund für örtlich unzuständig erklärt und dem Senat das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II. Das AG - Familiengericht - Dortmund ist für das Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe örtlich zuständig.

1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

Das angerufene Oberlandesgericht - Familiensenat - ist als das für die Familiengerichte in Dortmund und in Menden zuständige nächsthöhere gemeinsame Gericht zur Entscheidung über die Zuständigkeit berufen. Das zuständige Gericht wird dabei durch den Senat bestimmt, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO). Die genannte Vorschrift findet wegen § 113 Abs. 1 FamFG in Ehe- und Familienstreitsachen Anwendung (vgl. Vollkommer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO,...

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