Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland in die Türkei zur Strafverfolgung wegen der ihm in dem Haftbefehl des Gerichts in Ankara vom 20.04.2015 (Az. 2015/1515 ESAS) zur Last gelegten Straftat ist unzulässig.

 

Gründe

I.

Die türkischen Behörden ersuchen auf der Grundlage des nationalen Haftbefehls des Gerichts in Ankara vom 20.04.2015 (Az. 2015/1515 ESAS) um die Auslieferung des Verfolgten wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und haben ihn insoweit über Interpol im Wege einer Red Notice zur Festnahme ausgeschrieben.

In dem nationalen Haftbefehl des Gerichts in Ankara vom 20.04.2015 wird dem Verfolgten im Wesentlichen Folgendes zur Last gelegt:

Der Verfolgte sei Mitglied der bewaffneten Terrororganisation X. Nachdem er diese Organisation zunächst aus den Niederlanden heraus unterstützt habe, sei er nach seiner Heirat nach Deutschland gezogen und habe von dort weiterhin die Organisation unterstützt, indem er zunächst Geld im Namen der Organisation eingenommen habe. Zudem habe der Verfolgte durch Erpressungstaten und den Handel mit Betäubungsmitteln weitere Geldmittel für die Organisation aufgetrieben.

Der Verfolgte war am 04.08.2017 festgenommen worden und befand sich seit diesem Tage aufgrund der Festhalteanordnung des Amtsgerichts Dortmund vom selben Tag in Auslieferungshaft in der Justizvollzugsanstalt Dortmund bis zum 17.08.2017.

Im Rahmen seiner richterlichen Anhörung beim Amtsgericht Dortmund vom 04.08.2017 hat der Verfolgte nach der Bekanntgabe der Interpol Red Notice-Ausschreibung angegeben, staatenlos zu sein. Zu seinen persönlichen Verhältnissen und sozialen Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland hat der Verfolgte angegeben, dass er verheiratet sei und drei Kinder habe. Er lebe mit seiner Frau zusammen. Er hätte früher gearbeitet, jetzt bekomme er Geld vom Arbeitsamt. Er sei seit 2004 in Deutschland. Seine Kinder seien 10, 9 und ein Jahr alt. Die älteren Kinder gingen zur Schule, seine Frau sei PTA, zurzeit aber in Elternzeit. Er habe die Türkei aus politischen Gründen verlassen und in den Niederlanden Asyl beantragt. Ihm sei auch Asyl gewährt worden. Er sei aus der Türkei ausgebürgert worden. Weiter hat der Verfolgte ausgeführt, dass er seinen Asylstatus in Deutschland anerkennen lassen habe, und hat insoweit im Rahmen der richterlichen Anhörung eine Reihe Unterlagen überreicht. Zu den ihm zur Last gelegten Tatvorwürfen hat der Verfolgte angegeben, dass diese nicht zutreffend seien. Der in der Interpol Red Notice-Ausschreibung benannte Zeuge sei ein bekannter Spitzel der türkischen Republik. Weiter hat der Verfolgte Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben.

Auf Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 04.08.2017 hat die Ausländerbehörde der Stadt Z mit Schreiben vom 09.08.2017 mitgeteilt, dass sich der Verfolgte nach einer Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau seit dem 30.05.2005 in Deutschland aufhalte. Von den Niederlanden sei der Verfolgte als Flüchtling nach dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden. Im Jahr 2008 sei ihm ein Reiseausweis nach dem Genfer Abkommen ausgestellt worden, da die Zuständigkeit auf Deutschland übergegangen sei. Am 13.08.2008 sei ihm eine Niederlassungserlaubnis gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG (familiäre Lebensgemeinschaft mit deutschen Staatsangehörigen) erteilt worden.

Ergänzend dazu hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Schreiben vom 11.08.2017 auf Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 09.08.2017 mitgeteilt, dass eine Überprüfung der asylrechtlichen Begünstigung des Ausländers ergeben habe, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen.

Mit Antragsschrift vom 11.08.2017 hatte die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt, gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft anzuordnen.

Mit Beschluss vom 17.08.2017 hat der Senat den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 11.08.2017 auf Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft gegen den Verfolgten abgelehnt, die Festhalteanordnung des Amtsgerichts Dortmund vom 04.08.2017 aufgehoben und durch alleinige Entscheidung des mitunterzeichnenden Senatsvorsitzenden die sofortige Haftentlassung des Verfolgten in der vorliegenden Sache angeordnet. Zur Begründung hat der Senat - zusammengefasst - ausgeführt, dass die Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland in die Türkei zur Strafverfolgung von vornherein unzulässig im Sinne des § 15 Abs. 2 IRG sei. Es bestünden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien und Grundsätzen sowie die Gewährung von rechtsstaatlichen Verfahrensrechten in dem gegen den Verfolgten in der Türkei geführten Strafverfahren nicht gewährleistet seien. Weiter würde einer Auslieferung des Verfolgten auch entgegenstehen, dass ihm in der Türkei nach dem seinerzeitigen Kenntnisstand eine politische Verfolgung im Sinne des § 6 Abs. 2 IRG bzw. im Sinne des Art. 3 Abs. 2 EuAlÜbK drohe. Ferner stehe ...

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