Entscheidungsstichwort (Thema)

Volksverhetzug. Menschenwürde

 

Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Auch eine plakative und heftige Beleidigung von Teilen der Bevölkerung erfüllt nicht ohne weiteres die Voraussetzungen eines besonders qualifizierten, die Menschenwürde verletzenden Angriffs auf die Persönlichkeit.

  • 2.

    Ein Angriff gegen die Menschenwürde setzt voraus, dass die feindselige Haltung den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, dass das "Menschtum" des Angegriffenen bestritten, in Frage gestellt oder relativiert wird, dass das Recht des Angegriffenen bestritten wird, als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft zu leben.

 

Normenkette

StGB § 130

 

Verfahrensgang

StA Bochum (Entscheidung vom 26.03.2009; Aktenzeichen 33 Js 271/08)

LG Bochum (Aktenzeichen 6 KLs 33 Js 271/08-10/09)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Bochum vom 26. März 2009 33 Js 271/08 - wird mit der Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen, dass der Angeschuldigte hinreichend verdächtig ist am 25. Oktober 2008 in Bochum in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt zu haben (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative StGB).

Das Hauptverfahren wird vor der 6. Strafkammer des Landgerichts Bochum eröffnet.

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Bochum wirft dem Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 26. März 2009 vor, am 25. Oktober 2008 in B. in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt und die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen zu haben, dass er Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich gemacht und verleumdet hat (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 StGB). Der Anklagesatz enthält u.a. folgende Ausführungen:"Dem Angeschuldigten wird folgendes zur Last gelegt:Am Tattag fand in B. in der Zeit zwischen 13.00 und 17.00 Uhr ein vom Landesverband NRW der NPD angemeldeter Aufzug statt, an dem etwa 250 Personen teilnahmen. Das Motto dieses Aufzugs war: "Deutsche wehrt Euch - Gegen Befremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität!" ...... Am Rande des Aufzugs ..... kandierten Gegendemonstranten .....: "Nazis raus!".

Der Angeschuldigte kandierte während des Aufzugs über die Lautsprecheranlage des Lkw's wiederholt: "Hoch die nationale Solidarität!" Weiterhin äußerte er: "Ist der Ali kriminell, in die Heimat, aber schnell!" und außerdem: "Denn Multikulti ist kein Himmelsgesetz. Multikulti und Masseneinwanderung sind nicht vom deutschen Volk gewollt, sondern von einer kleinen politischen Minderheit gegen die Interessen. .....". Weiterhin führte er aus, in Deutschland werde eine Politik gegen die deutsche Bevölkerung betrieben, die "noch" in der Mehrheit sei. "Parallelgesellschaften" machten sich "breit" und drängten die "deutsche Bevölkerung" zurück. Schließlich skandierte er auch (mehrfach): "Wir kämpfen frei, sozial und national!".

Die Videoaufzeichnung des Aufzugs ergibt, dass der Angeschuldigte während des Aufzugs zudem äußerte:"Wir lassen es nicht zu, dass z.B. Ausländer hier sich uns in Weg stellen (Anmerkung Senat: gemeint dem Aufzug) und so tun, als wäre dies ihre Stadt. Wir haben als Deutsche das Recht, und darin haben sich auch die Fremden aus ihren Herrenländer zu gewöhnen, dass wir als Deutsche hier auf die Straße gehen können, um zu demonstrieren, dass Deutschland auch weiterhin das Land der Deutschen bleiben muss."In der Konkretisierung der Anklageschrift heißt es weiter:"Auf der K-Allee hielt der Angeschuldigte gegen 15.00 Uhr eine Rede, wobei er auf der Ladefläche des mitgeführten LKWs stand und sich der Lautsprecheranlage bediente. Am Rednerpult war ein Plakat angebracht. In der Mitte des Plakats war ein Foto, dass 3 männliche Personen im Nachtlicht zeigt, die Kapuzen über den Kopf gezogen haben und Sonnenbrillen tragen, zu sehen. Eine der abgebildeten Personen hielt einen Schlagstock in seiner Hand. Das Bild war überschrieben mit "Deutsche wehrt Euch!" und unter dem Bild stand: "Gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität!" Unter dem Plakat stand: www.A.xxxxde.

Die Zeugen S. und Herr Y. traten während der Rede des Angeschuldigten - wie mit ihm vereinbart - vor die Rednerbühne und entfalteten ein Transparent mit der Aufschrift "Multikulti ist Völkermord".

Der Angeschuldigte äußerte im Zuge seiner Rede insbesondere Folgendes:"Kameraden, deutsche Männer und Frauen! Wir haben die Medien dazu gezwungen, darüber zu berichten, dass es auch etwas anderes als den Multikulti-Wahnsinn der etablierten Einheitsparteien gibt. Wir haben sie gezwungen, sich eindeutig klar hinzustellen, ob sie auf der Seite des Volkes stehen oder auf der Seite der Multikulturellen, Multikriminellen Massenpsychose, der sie unser Volk aussetzen. Wie weit das geht, dass der Multikulti-Wahnsinn gegen die Deutschen schlägt, haben wir heute am eigenen Leib spüren müssen .... Wir haben als Deutsche das Recht, in die Öffentlichkeit zu gehen, Öffentlichkeit herzustellen, um damit...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge