Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwaltsbeidordnung bei einvernehmlicher Sorgerechtsübertragung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer einvernehmlichen Sorgerechtsübertragung gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB spricht einiges dafür, dass die Sach- und Rechtslage nicht i.S.d. § 78 Abs. 2 FamFG besonders schwierig ist. Anderes gilt auch nicht ohne weiteres im Hinblick auf den Grundsatz der Amtsaufklärung in Sorgerechtsverfahren (§ 26 FamFG).

 

Normenkette

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 1; FamFG §§ 26, 78 Abs. 2

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Vorliegend handelt es sich um ein Sorgerechtsverfahren, also eine Kindschaftssache i.S.d. §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG. In diesen Verfahren ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben (vgl. § 114 Abs. 1 FamFG).

Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG kommt die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Verfahren, in denen keine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist, nur dann in Betracht, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH FamRZ 2009, 857; FamRZ 2010, 1427 (1429)).

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beiordnung eines Rechtsanwalts i.S.v. § 78 Abs. 2 FamFG erforderlich erscheinen lässt, kommt es nach der Entscheidung des BGH vom 23.6.2010 (FamRZ 2010, 1427 (1428)) nicht allein auf objektive Kriterien an, sondern es sind daneben auch subjektive Umstände zu berücksichtigen.

Maßgebend sind daher neben Umfang und Schwierigkeit der Rechtssache auch die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (BGH FamRZ 2010, 1427 (1430)). Insofern ist die ständige Rechtsprechung des BVerfG zu berücksichtigen, wonach für die Anwaltsbeiordnung im Rahmen einer bewilligten Verfahrenskostenhilfe darauf abzustellen ist, ob ein bemittelter Rechtssuchender in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (BVerfG NJW-RR 2007, S: 1713 (1714)).

Das AG ist zutreffend unter Zugrundelegung des Vortrags des Antragstellers und des Berichts des Jugendamts H vom 17.11.2011 bei einer einvernehmlichen Sorgerechtsübertragung gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB davon ausgegangen, dass die Sach- und Rechtslage nicht besonders schwierig ist.

Der pauschale Verweis des Antragstellers in der Beschwerdeschrift auf die zwischen den Kindeseltern in der Vergangenheit geführten Verfahren führt zu keiner anderen Bewertung, zumal die Verfahren 13 F 125 und 126/10 nicht das Kind D, sondern das Kind N betrafen.

Dass der Antragsteller Schwierigkeiten hat, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken, ist weder vorgetragen noch anderweitig, z.B. aus dem Bericht des Jugendamtes, ersichtlich.

Eine Erläuterung der Familien-Historie war im vorliegenden Verfahren nicht erforderlich. Der Antragsteller hätte den entscheidungserheblichen Sachverhalt (Wechsel von D in seinen Haushalt am 17.5.2011, ablehnende Haltung der Kindesmutter bezüglich einer Rückkehr von D in ihren Haushalt, vollständiger Kontaktabbruch zwischen Mutter und Tochter seit Anfang August 2011, Wille Ds, im Haushalt des Vaters zu bleiben) selbst schriftlich formulieren oder - wenn er wegen der Formalien eines solchen Antrags Bedenken gehabt hätte - gem. § 25 Abs. 1 FamFG zur Niederschrift der Geschäftsstelle stellen können, die im Rahmen der Fürsorgepflicht und der Möglichkeiten auch die Verpflichtung trifft, den mutmaßlichen Willen zu erfragen sowie für eine klare Formulierung des Begehrens zu sorgen (vgl. Senatsbeschluss vom 20.10.2010 - II-8 WF 180/10 m.w.N.).

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt war hier auch im Hinblick auf den Grundsatz der Amtsaufklärung in Sorgerechtsverfahren (§ 26 FamFG) nicht erforderlich. Denn im vorliegenden Verfahren bedurfte es weder der Anregung von Tatsachenermittlungen noch der Aufarbeitung schwieriger Rechtsfragen durch einen Rechtsanwalt. Wenn sich im weiteren Verlauf des Verfahrens noch Schwierigkeiten ergeben hätten, die die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gebotenen erscheinen ließen, hätte der Antragsteller auch noch zu einem späteren Zeitpunkt die Beiordnung eines Anwalts seiner Wahl beantragen können. Tatsächlich haben sich derartige Schwierigkeiten aber nicht ergeben, vielmehr hat die Antragsgegnerin der Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Antragsteller sogar im ersten Verhandlungstermin zugestimmt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3093015

FamRZ 2012, 1577

FuR 2012, 495

MDR 2012, 1045

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