Verfahrensgang

AG Hagen (Entscheidung vom 08.12.2000; Aktenzeichen 52 F 264/00)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten der Kindesmutter nach einem Gegenstandswert von 5.000,- DM zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beschwerde der Kindesmutter gegen die Entziehung des Sorgerechts für das Kind ... ist zulässig; in der Sache hat sie keinen Erfolg.

Die getroffene Entscheidung, ihr die elterliche Sorge für das Kind ... gem. §§ 1666, 1666 a BGB zu entziehen, ist zur Abwendung von erheblichen Gefahren für das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes geboten.

Wie sich aus dem psychologischen Sachverständigengutachten des Dipl.-Psychologen vom 30.10.1998 ergibt, ist die Kindesmutter aufgrund einer Aneinanderreihung von selbst erlebten seelischen Grausamkeiten und körperlichen Mißhandlungen seit jüngster Kindheit in ihrer Bindungs- und Beziehungsfähigkeit massiv gestört. Sie blickt auf eine Fülle extremer seelischer Verletzungen und Traumatisierungen zurück, die jedenfalls bis zum Zeitpunkt der damaligen Gutachtenerstellung psychisch und emotional völlig unverarbeitet geblieben waren und zu massiven psychischen Störungen geführt hatten.

Aufgrund dieser Störungen war sie nicht in der Lage, zu einen befriedigenden, tiefergehenden Kontakt und eine sichere Bindung aufzubauen. In die emotionalen Bedürfnisse eines Kindes vermochte sie sich nicht einzufühlen. ... und seinem jüngeren Bruder ... - ihre 3 ältesten Kinder sind bereits seit 1989 fremd untergebracht - mutete sie chaotische häuslicher Lebens- und Wohnverhältnisse zu.

... zeigte sich in der Folge als hochgradig psychisch gestörtes, verängstigtes, verwirrtes und aufgrund von Gewalt- und Überwältigungserfahrungen traumatisiertes und bindungsgestörtes Kind in desolater emotionaler und psycho-sozialer Verfassung.

Nach der angesichts dieser Entwicklungsstörungen mit Zustimmung der Kindesmutter 1998 erfolgten Heimunterbringung zeigte ausweislich des Berichts des ... im ... vom 10.10.2000 massive Verhaltensauffälligkeiten. Er warf Sachen durch die Gegend, hielt sich an keine Regeln und war durch die Heimerzieher nicht steuerbar. Eine Besserungstendenz ist erst erkennbar, seit eine zusätzliche pädagogische Kraft mit einem Stundenkontingent einer halben Stelle eingestellt wurde, die sich nur um ihn kümmert. Angesichts der seither zu verzeichnenden positiven Entwicklung ist nunmehr eine Unterbringung in einer Pflegefamilie ins Auge gefaßt.

Angesichts der aufgezeigten Entwicklung kommt - was auch die Kindesmutter selbst nicht verkennt - eine Rückführung in ihren Haushalt weder aktuell noch perspektivisch in Betracht. Eine positive, die bisherigen Traumatisierungen aufarbeitende erzieherische Beeinflussung von ... setzt auf Seiten der Betreuungspersonen hohe pädagogische Kompetenz und auch ein erhebliches Maß an psychischer Belastbarkeit voraus, das auf Seiten der Mutter - mag auch in deren persönlichen Verhältnissen zwischenzeitlich eine gewisse Stabilisierung zu verzeichnen sein - nicht vorhanden ist.

Eine etwaige Beibehaltung der elterlichen Sorge der Mutter könnte daher nicht darauf zielen, dieser die tatsächliche Erziehungsverantwortung zuzuweisen, sondern lediglich bedeuten, ihr die formelle Position als Sorgerechtsinhaberin in der Erwartung zu belassen, daß sie die im Interesse ... gebotenen Entscheidungen nicht blockieren, sondern nach entsprechender Beratung, auf die sie mangels hinreichenden Einblicks in die Verhältnisse des Kindes dann angewiesen ist, im Ergebnis billigen wird.

Ein derart auf die formale Entscheidungskompetenz reduziertes, letztlich sinnentleertes Sorgerecht widerspricht dem Kindeswohl.

Zum einen erscheint es geboten, daß der Sorgerechtsinhaber von ... als solcher vertrauensvoll akzeptiert wird und für ihn als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Diese Rolle kann die Mutter angesichts der traumatisierenden Erfahrungen, die in ihrem Haushalt gemacht hat, nicht ausfüllen.

Demgegenüber wird der derzeit für das ... als Amtsvormund tätige Herr ... nach dem Bericht des ... vom 12.06.2001 von ... in dieser Rolle freudig akzeptiert. Da Herr ... nicht im Zusammenhang mit seiner Vorgeschichte steht, kann ... ihn unvoreingenommen begegnen. Er hat Herrn ... genutzt, um zu erfahren, wo sein jüngster Bruder ... lebt und ob es ihm gut geht. Mit Herrn ... spricht ... intensiv über die Perspektive der Aufnahme in einer Pflegefamilie, wobei er aktiv eigene Vorstellungen entwickelt. Insoweit hat sich die Übertragung er elterlichen Sorge auf einen Amts Vormund nach dem Bericht des ... sehr positiv ausgewirkt.

Es ist zum anderen sicherzustellen, daß die vom Amtsvormund entwickelte Konzeption der Unterbringung in einer Pflegefamilie rechtlich derart abgesichert wird, daß das Kind und die Pflegeeltern sich auf die Beständigkeit der Eingliederung in die Pflegefamilie verlassen können.

Wie vom Amtsvormund in seine Bericht vom 28.05.2001 dargelegt, war bisher die Suche nach einer geeigneten Pflegefamilie dadurch behindert, daß sich die Interessenten kaum vorstellen konnten, sich für eine...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge