Leitsatz (amtlich)

1. Der Kindesunterhaltsanspruch eines Minderjährigen, der eine Ausbildung aufnimmt, gegenüber dem barunterhaltspflichtigen Elternteil entfällt oder reduziert sich für den gesamten Monat nach der Auslegung des § 1602 Abs. 1 BGB ab dem Beginn desjenigen Monats, in dessen Verlauf die erste Ausbildungsvergütung tatsächlich ausgezahlt wird. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrages oder Beginns der Arbeitsaufnahme kommt es demgegenüber nicht entscheidend an.

2. Die Zahlung der ersten Ausbildungsvergütung - nicht aber bereits der Abschluss des Ausbildungsvertrages oder die Arbeitsaufnahme - begründet für den Monat der Auszahlung eine nach der Errichtung des bestehenden Kindesunterhaltstitels liegende zulässige Einwendung i.S.d. §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 767 Abs. 1 und 2 ZPO.

 

Verfahrensgang

AG Ahaus (Beschluss vom 16.10.2012; Aktenzeichen 11 F 102/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 26.10.2012 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Ahaus vom 16.10.2012, Aktenzeichen: 11 F 102/12, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde über die Abänderung des Unterhalts des Kreises C vom 11.10.2007 (UR-Nr. 266/2007) wird für die Zeit ab August 2012 für unzulässig erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 500 EUR festgesetzt.

Der Antragsgegnerin wird für die Verteidigung gegen die Beschwerde ratenzahlungsfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin G aus Ahaus bewilligt, §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 114 S. 1, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO.

 

Gründe

A. Es findet gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das neue Verfahrensrecht Anwendung, da der Antragsteller das Verfahren nach dem 31.8.2009 erst am 10.8.2012 anhängig gemacht hat.

B. Der Senat sieht entsprechend dem Hinweisbeschluss vom 13.12.2012 von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, da diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen worden ist. Von einer erneuten Vornahme sind i.S.d. § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten, da es allein um die Klärung einer Rechtsfrage geht.

C. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.

I. Die Beschwerde ist trotz des Unterschreitens des Beschwerdewertes von 600 EUR des § 61 Abs. 1 FamFG zulässig, da das AG die Beschwerde durch seinen Beschluss vom 7.11.2012 für den Senat bindend zugelassen hat (§ 61 Abs. 2 und 3 FamFG).

II. Der Kindesunterhalts-Vollstreckungsabwehrantrag des Antragstellers für den Monat August 2012 aus den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 767 Abs. 1 ZPO ist auch in der Sache begründet.

1.) Der Senat verkennt dabei im Ausgangspunkt nicht, dass sich das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerde im Wesentlichen nur mit deren Zulässigkeit, nämlich der ausnahmsweisen Zulassung trotz des Unterschreitens des Beschwerdewertes von 600 EUR, befasst. Aus der Begründung der beantragten Zulassung der Beschwerde, nämlich der Bezugnahme auf die erstinstanzlich schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung kontrovers erörterte Kern-Problematik, ergibt sich für den Senat jedoch zweifelsfrei, dass der Antragsteller seine Beschwerde in der Sache mit seiner - bereits erstinstanzlich schriftsätzlich und mündlich vertretenen - Rechtsansicht begründet, dass ein Kindesunterhaltsanspruch unabhängig von dem Zeitpunkt der Auszahlung der ersten Vergütung bereits ab dem Beginn des Monats des Ausbildungsantritts des Kindes entfalle. Eine dahin gerichtete inhaltliche Begründung seiner Beschwerde hat der Antragsteller im Übrigen mit dem Schriftsatz vom 14.12.2012, bei dem OLG eingegangen am 17.12.2012, noch innerhalb der Zweimonatsfrist ab Zustellung der angefochtenen Entscheidung (§ 117 Abs. 1 S. 3 FamFG) nachgeholt.

2.) Die Frage, ab wann der Kindesunterhaltsanspruch eines Minderjährigen gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil entfällt, wenn der Minderjährige zu Beginn eines Monats seine Ausbildung aufnimmt, aber erst im späteren Verlaufe des Monats oder sogar erst im Folgemonat die erste Vergütung tatsächlich ausgezahlt bekommt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten:

a) Das AG Weiden (OLG Hamm vom 13.4.2005, Aktenzeichen 1 F 731/04, FamRZ 2006, 565 f.) hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass selbst bei einer Auszahlung der Vergütung erst im Folgemonat der Kindesunterhaltsanspruch stets bereits ab dem Monat des Beginns der Arbeitsaufnahme entfalle, da das unterhaltsberechtigte Kind bereits mit Abschluss des Ausbildungsvertrages um den Beginn seines eigenen Einkommens wisse und daher eine entsprechende Rücklage zur Überbrückung des einen Monats bis zur Auszahlung der ersten Vergütung schaffen könne.

b) Demgegenüber hat sich Nickel (FamRZ 2006, 887 f.) in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung dafür ausgesprochen, dass die Ausbildungsvergütung, die erst im Laufe des Monats oder im Folgenden Monat zur Auszahlung gelange, die bereits zum Monatsanfang fällig gewordenen Kindesunterhaltsansprüche in vo...

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