Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen prozessualer Tatidentität beim Transport von Drogen mit PKW ohne Fahrerlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

Beim Transport von Drogen in einem PKW zum Zwecke des unerlaubten Handeltreibens durch einen Fahrer, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, besteht zwischen dem Vergehen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und dem Verstoß gegen das BtMG nur dann prozessuale Tatidentität, wenn die materiell-rechtlich selbständigen Taten in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang und zudem in einem Beziehungs- und Bedingungszusammenhang stehen.

 

Normenkette

StPO §§ 155, 203, 264; GG Art. 103 Abs. 3; BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2; StGB §§ 52-53; StVG § 21

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Aktenzeichen 46 KLs 200 Js 3315/15 (4/16))

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Hagen vom 12. Februar 2016 (Az.: 200 Js 3315/15) wird zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Landgericht - 6. große Strafkammer - Hagen eröffnet.

Die Strafkammer ist mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt (§ 76 Abs. 2 S. 1 u. 4 GVG).

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Hagen wirft dem Angeschuldigten mit Anklageschrift vom 12. Februar 2016 vor, am 20. März 2015 in H gemeinschaftlich handelnd tateinheitlich mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben und dabei eine Schusswaffe mit sich geführt zu haben, die ihrer Art nach zu Verletzungen von Personen geeignet und bestimmt ist, und ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 i.V.m. Anl. 2 Abschnitt zwei Unterabschnitt 1 S. 1 des Waffengesetzes eine Schusswaffe geführt zu haben.

Das Landgericht Hagen hat mit dem angefochtenen Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, bereits unter dem 13. Mai 2015 sei von der Staatsanwaltschaft Hagen in dem Verfahren 780 Js 432/15 Anklage gegen den Angeschuldigten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, begangen (ebenfalls) am 20. März 2015 in H, erhoben worden. In jenem Verfahren sei gegen den Angeschuldigten vom Amtsgericht Schwelm am 21. September 2015 unter dem Aktenzeichen 49 Ds 780 Js 432/15 - 57/15 ein Strafbefehl erlassen worden, der seit dem 8. Januar 2016 rechtskräftig sei. Da die Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis dieselbe Tat betreffe wie das vorliegende Verfahren, bestünde keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs durch den rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 21. September 2015 nicht ergeben werde.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen, mit der geltend gemacht wird, dass weder ein zeitlicher und örtlicher noch ein innerer Zusammenhang zwischen der Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und der Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bestanden habe, so dass nicht von prozessualer Tatidentität ausgegangen werden könne.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm ist mit Zuschrift vom 25. Mai 2016 der sofortigen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen beigetreten und hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Hauptverfahren vor dem Landgericht - große Strafkammer - Hagen zu eröffnen. Der Angeschuldigte hat hierauf mit Schriftsatz des Verteidigers vom 14. Juni 2016 erwidert.

II.

Die nach § 210 Abs. 2 StPO statthafte, rechtzeitig erhobene und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Hagen ist in der Sache begründet.

Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. "Hinreichender Verdacht" besteht bei vorläufiger Tatbewertung in der Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage, 2016, § 203 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen).

Der Ansatz des Landgerichts Hagen in der angefochtenen Entscheidung, dass ein Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs bzw. der anderweitigen Rechtshängigkeit der Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung entgegensteht, ist zwar dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Allerdings sprechen bei der in diesem Verfahrensstadium vorzunehmenden vorläufigen Tatbewertung keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür, dass die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ein solches Verfahrenshindernis ergeben wird; im Gegenteil erscheint diese Annahme eher fernliegend.

Dabei steht einem etwaigen Strafklageverbrauch durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Schwelm vom 21. September 2015 im Verfahren 780 Js 432/15 StA Hagen nicht schon entgegen, dass dieser Strafbefehl aus den von der Generalstaatsanwaltschaft Hamm in ihrer Stellungnahme vom 25. Mai 2016 dargelegten Gründen möglicherweise noch nicht rechtskräftig ist. Da die doppelte Anhängigkeit ein und derselben Sache bei verschiedenen Gerichten zu der durch Art. 103 Abs. 3 GG verbotenen Doppelbestrafung führen kann, ist bereits die -...

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