Leitsatz (amtlich)

Unter einem "Augenblicksversagen" kann nur ein sehr kurzfristiges Fehlverhalten bzw. Außerachtlassen der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verstanden werden.

 

Verfahrensgang

AG Gütersloh (Entscheidung vom 03.06.2004)

 

Tenor

  • 1.

    Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen.

  • 2.

    Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 03.06.2004 wegen fahrlässiger Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274.1), 49 StVO, § 24 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 75,- EUR verurteilt worden. Außerdem wurde gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und angeordnet, dass dieses erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Am 30.07.2003 befuhr der Betroffene gegen 09:29 Uhr als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen xxxx in Gütersloh innerorts den Postdamm in Fahrtrichtung Am Schlangenbach. Gegenüber dem Eichenhof hielt er eine Geschwindigkeit von mindestens 57 km/h ein.

70 m vor dem gegenüber dem Eichenhof postierten Messwagen befindet sich das Zeichen 274.1, das den folgenden Bereich als 30er-Zone ausweist. Das rechtsseitig aufgestellte Schild ist aus einer Entfernung von etwa 80 Metern gut zu erkennen. 160 m hinter dem Messwagen ist die Abfahrt zu einem Kindergarten gelegen."

Nach den weiteren Feststellungen des Amtsgerichts wurde die Geschwindigkeit des von dem Betroffenen geführten Fahrzeuges durch ein Verkehrsradargerät des Typs MU VR 6 F gemessen und wurde von dem ausgewiesenen Messwert von 60 km/h ein Toleranzabzug in Höhe von 3 km/h zugunsten des Betroffenen vorgenommen.

Zu Vorbelastungen des Betroffenen hat das Amtsgericht ausgeführt, dass gegen diesen durch Bußgeldbescheid des Kreises Warendorf vom 02.02.2002, rechtskräftig seit dem 19.12.2002, wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 42 km/h (Tatzeit: 04.09.2002) eine Geldbuße von 200,- EUR verhängt worden ist.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung in Höhe von 27 km/h für schuldig befunden und gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 75,- EUR verhängt.

Der Amtsrichter hat außerdem unter Heranziehung der Vorbelastung des Betroffenen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 2 der Bußgeldkatalogverordnung bejaht und gegen den Betroffenen ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Gründe, die es rechtfertigen könnten, ausnahmsweise von der Verhängung des Regelfahrverbotes abzusehen, lagen nach Auffassung des Amtsrichters nicht vor. Dazu hat er u.a. Folgendes ausgeführt:

"Ein Augenblicksversagen i.S.d. Entscheidung des BGH vom 11. September 1997 (4 StR 638/96) liegt nicht vor.

Von einem solchen kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn das angebliche übersehene Schild zur Geschwindigkeitsbegrenzung - wie hier - bereits auf eine Strecke von 80 Metern ohne weiteres erkennbar ist. Der Umstand, dass der Betroffene das Schild nicht gesehen hat, zeugt davon, dass er bei einer zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h über eine Zeitspanne von 3,6/50*80 = mindestens 5,76 Sekunden nicht auf die Beschilderung geachtet hat, obwohl er bei Beachtung der im Straßenverkehr erforderlichen Aufmerksamkeit auch verpflichtet war, sich auch auf die Beschilderung zu konzentrieren. Bei einem derart langen Zeitraum kann jedoch von einer kurzfristigen Unaufmerksamkeit, einem "Augenblicksversagen" im Sinne der Rechtsprechung des BGH, nicht mehr die Rede sein. Sollte er in dem Bereich vor dem Zeichen 274.1 schon schneller als 50 km/h gefahren sein, würde das zwar die Wahrnehmungszeit verkürzen. Diese Verkürzung wäre jedoch wiederum auf ein verkehrswidriges Verhalten zurückzuführen und könnte dem Betroffenen nicht zu Gute kommen.

Der Betroffene verweist zu Unrecht darauf, das Verschulden sei hier geringer, weil die Messung entgegen den Richtlinien zur Geschwindigkeitsüberwachung bereits 70 Meter hinter dem Zeichen 274.1 stattgefunden habe. ..."

"Zudem durfte hier für die Messung auch ein Abstand von 70 Metern hinter dem geschwindigkeitsbeschränkenden Verkehrszeichen eingehalten werden. Ein Abstand von 200 Metern kam nicht in Betracht. Die Messung hätte dann nämlich erst hinter der Einfahrt zum Kindergarten stattfinden können. Weiterhin handelt es sich hier um eine schutzwürdige Zone im Bereich eines Kindergartens, in der besonderer Wert auf die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h zu legen ist, weil hier immer wieder mit kleinen Kindern zu rechnen ist, die überhaupt nicht in der Lage sind, sich auf das Verkehrsgeschehen einzurichten. Diese schutzwürdige Zone reicht auch bis über einen Umkreis von 160 Metern (Abstand des Messwagens zur Kindergarteneinfahrt) hinaus, wen...

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