Leitsatz (amtlich)

Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen, wenn der Betroffene sich darauf beruft, dass er ein Verkehrsschild übersehen habe.

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Entscheidung vom 21.02.2007)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 21.02.2007 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 41 Abs. 2 StVO zu einer Geldbuße von 200,- EUR verurteilt worden. Außerdem wurde gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt und angeordnet, dass hierfür die 4-Monats-Frist gewährt wird.

Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene mit dem von ihm geführten PKW am 01.03.2006 die Detmolder Straße in Bielefeld. Im Bereich des Hauses Nr. 619 ist wegen einer dort befindlichen Grundschule eine 30-km/h-Zone eingerichtet und durch die Verkehrszeichen 136 und 274 kenntlich gemacht. Bei einer Radarkontrolle wurde die Geschwindigkeit des Betroffenen mit 69 km/h gemessen. Hiervon wurden 3 km/h als Messtoleranz in Abzug gebracht.

Das Amtsgericht hat die Einlassung des Betroffenen, er habe die Verkehrszeichen 136 und 274 nicht sehen können, weil auf einem rechts von der Fahrbahn befindlichen Parkplatz ein LKW gestanden und diese Verkehrszeichen verdeckt habe, als widerlegt angesehen und festgestellt, dass der Betroffene bei genügender Sorgfalt das die zulässige Höchstgeschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen trotz eines auf dem Parkplatz befindlichen Lastkraftwagens rechtzeitig hätte sehen und seine Geschwindigkeit entsprechend herabsetzen können.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist das Amtsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Betroffene innerhalb geschlossener Ortschaft der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 36 km/h schuldig gemacht hat, wobei ihm ein fahrlässiges Handeln zur Last zu legen ist.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Bei der Bemessung des Bußgeldes war einmal die deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung, aber auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Betroffene bereits im Jahr 2005 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Erscheinung getreten ist. Das Gericht hielt deshalb die von der Verwaltungsbehörde festgesetzte Bußgeld von 200,- EUR für angemessen und erforderlich.

§ 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV sieht für einen solchen Fall außerdem ein Fahrverbot von einem Monat vor. Bei dem Bußgeldbescheid des Kreises Gütersloh vom 6. Juli 2005 ging es um eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h. Nur etwa drei Monate nach Rechtskraft dieses Bußgeldbescheides beging der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Es ist kein Grund erkennbar, der es rechtfertigen würde, von dem Fahrverbot abzusehen. Es handelt sich auch nicht um ein sogenanntes Augenblicksversagen. Bei der Höhe der gemessenen Geschwindigkeit ist davon auszugehen, dass diese bereits vor der 30-km/h-Zone zu hoch war."

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache zumindest vorläufig teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und im Umfang der Aufhebung zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bielefeld.

1.

Der Schuldspruch hält einer rechtlichen Überprüfung Stand.

a)

Die erhobene Rüge, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es von Beweiserhebungen abgesehen habe, die sich nach Lage der Sache aufdrängten und die überdies in der Hauptverhandlung förmlich beantragt worden seien, erweist sich als unzulässig. Nach Auffassung der Rechtsbeschwerde hätte durch das Amtsgericht zur Klärung der Fragen, ob der Betroffene die Möglichkeit gehabt habe, von dem Verkehrszeichen 274 Kenntnis zu nehmen sowie, innerhalb welcher Zeit und Fahrstrecke der Betroffene nach der einer möglichen Kenntnisnahme des Verkehrsschildes seine Geschwindigkeit auf die sodann geltende Höchstgeschwindigkeit hätte reduziert haben können, die Örtlichkeit insbesondere unter Einbeziehung des Standortes der Geschwindigkeitsmesseinrichtung in Augenschein genommen werden und aufgeklärt werden müssen, ab wann der Betroffene unter der Prämisse, dass das Verkehrsschild von einem LKW verdeckt gewesen sei, dieses hätte erkennen können. Außerdem hätte die Dauer der dem Betroffenen verbleibenden Reaktionszeit durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden müssen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme hierzu Folgendes ausgeführt:

"Die Aufklärungsrüge ist nicht in zulässiger Form erhoben worden, § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG.

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