Verfahrensgang

LG Bielefeld (Entscheidung vom 13.08.2007; Aktenzeichen 5 Ns 29/07)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld hat das Amtsgericht Minden am 09.01.2006 einen Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen versuchter Nötigung und Nötigung erlassen und eine Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25 EUR festgesetzt sowie ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Der Angeklagte hat gegen den Strafbefehl durch seinen Verteidiger rechtzeitig Einspruch eingelegt. Auf den darauf bestimmten Termin zur Hauptverhandlung hat das Amtsgericht Minden den Angeklagten am 20.02.2007 wegen versuchter Nötigung und Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25 EUR verurteilt und dem Angeklagten für die Dauer von zwei Monaten verboten, im öffentlichen Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Die dagegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld durch Urteil vom 13.08.2007 verworfen. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Bielefeld durch seinen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen.

Gegen das Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Er erhebt eine Verfahrensrüge und rügt die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision hat mit der Sachrüge zumindest vorläufig Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Bielefeld. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ist lückenhaft und hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt einer eingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht. Es darf die Beweiswürdigung nur auf Rechtsfehler überprüfen.

Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag. Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, NStZ 1983, 277, 278; Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 337, Rdnr. 27 m.w.N.). Eine Beweiswürdigung weist Lücken auf, wenn nicht alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände gewürdigt sind, die Schlüsse zugunsten oder zuungunsten der Angeklagten zulassen (Meyer-Goßner, a.a.O., § 337, Rdnr. 29 m.w.N.).

Vorliegend ist die Beweiswürdigung lückenhaft, denn es fehlt die Mitteilung, ob bzw. wie sich der Angeklagte zur Sache eingelassen hat. Prozessual (§ 267 StPO) ist zwar die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Eine solche Verpflichtung des Tatrichters ergibt sich jedoch aus der Notwendigkeit, dass das Revisionsgericht überprüfen können muss, ob die tatrichterliche Beurteilung auf rechtlich zutreffenden Erwägungen beruht. Eine entsprechende Erörterung und Würdigung ist dann notwendig, wenn das Revisionsgericht nur aufgrund dieser Grundlage nachprüfen kann, ob das materielle Recht richtig angewendet worden ist und ob die Denk- und Erfahrungssätze richtig angewendet worden sind (Senatsbeschluss vom 06.09.2007, 3 Ss 262/07; BGH NStZ-RR 1997, 172; BGH NStZ-RR 2002, 243; OLG Hamm Beschluss vom 21.11.2002 - 5 Ss 1016/02; KG Beschluss v. 09.10.2000 - (3) 1 Ss 154/00 - 53/00). Nur bei sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen (ein solcher liegt hier nicht vor) kann gegebenenfalls auf eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten ohne Verstoß gegen die materiellrechtliche Begründungspflicht verzichtet werden (Senatsbeschluss vom 06.09.2007, a.a.O.).

Aufgrund der im Rahmen der revisionsrechtlichen Überprüfung dem Senat allein zur Verfügung stehenden Angaben in der Urteilsurkunde ist es nicht möglich festzustellen, ob sich der Angeklagte durch seinen Verteidiger zur Sache eingelassen hat oder nicht, bzw. in welchem Umfang, und ob das Landgericht seine Einlassung umfassend anhand der sonstigen Beweismittel gewürdigt hat.

In der Beweiswürdigung ist ausgeführt, dass die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen denjenigen des Amtsgerichts entsprechen, ohne dass ersichtlich ist, ob bzw. inwieweit der Verteidiger sich für den Angeklagten dazu eingelassen hat. Weiter ist ausgeführt, dass die Feststellungen zum tatsächlichen Geschehen in objektiver Hinsicht der glaubhaften Aussage des Zeugen T entsprechen. Diese Passage lässt sowohl die Deutung zu, dass der Angeklagte sich durch seinen Verteidiger zur Sa...

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