Leitsatz (amtlich)

Ein Pflichtteilsberechtigter kann im Wege des selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 ZPO die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Verkehrswertes einer im Nachlass vorhandenen Immobilie verlangen. Er ist nicht auf die Erhebung einer Auskunfts- und Wertermittlungsklage gem. § 2314 BGB zu verweisen.

 

Normenkette

BGB § 2314; ZPO § 485

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 19 OH 5/21)

 

Tenor

Der Beschluss wird teilweise aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag, im selbständigen Beweisverfahren ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Verkehrswertes der Immobilie D Straße einzuholen, an das Landgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind die Kinder der am 12.07.2019 verstorbenen Erblasserin, Frau A B . Der Vater der Parteien und Ehemann der Erblasserin ist bereits am 01.05.2007 vorverstorben. Durch letztwillige Verfügungen setzten die Eltern die Antragsgegnerin zur Nach- und Schlusserbin ein. Der Antragsteller macht Pflichtteilsansprüche nach der Erblasserin geltend. Zum Nachlass der Erblasserin gehörte ein Mehrfamilienhaus einschließlich Garagen in C, D-Str. 000. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Wertermittlung gem. § 2314 BGB ist nicht erfolgt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 29.06.2020 verkaufte die Antragsgegnerin die Immobilie an die Stadt C zu einem Kaufpreis von 150.000 EUR. Zum Nachlass des Vaters, dessen Vorerbin die Erblasserin war, gehörte das Hausgrundstück E Straße 00 in C.

Der Antragsteller hat beantragt, im selbständigen Beweisverfahren ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung des Verkehrswertes der Immobilie D Straße einzuholen. Zur Begründung hat er angeführt, das beantragte selbstständige Beweisverfahren sei notwendig, weil die Antragsgegnerin das Haus der Erblasserin zwischenzeitlich verkauft habe, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten zur Wertermittlung eingeholt zu haben. Es sei damit zu rechnen, dass das Haus von dem neuen Eigentümer aus planungstechnischen Gründen kurzfristig abgerissen werde. Eine eigene Wertermittlung durch den Antragsteller habe einen Wert der Immobilie von 230.000 EUR ergeben. Weiterhin hat der Antragsteller vorgetragen, die Erblasserin habe auf das Haus E Straße 00, das aus dem Nachlass des Vaters stamme, zahlreiche wertsteigernde Aufwendungen bzw. Verwendungen erbracht. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Bl. 10 ff. der Akte verwiesen. Er begehrt die Ermittlung des Wertes dieser von der Erblasserin aus ihrem persönlichen Vermögen finanzierten Aufwendungen. Dazu habe die Antragsgegnerin trotz Nachfrage keine Auskunft erteilt. Es sei nicht auszuschließen, dass das Haus kurzfristig verkauft werde.

Die Antragsgegnerin ist dem Vorbringen entgegen getreten und hat den Antrag für unzulässig gehalten. Sie hat vorgetragen, die Einholung eines Gutachtens zur Bewertung der Immobilie der Erblasserin könne nicht verlangt werden, denn für den Fall eines zeitnahen Verkaufs berechne sich ein Pflichtteilsanspruch nicht nach dem Verkehrswert, sondern nach dem tatsächlich erzielten Kaufpreis. Selbst wenn dennoch ein Verkehrswertgutachten beansprucht werden könne, sei dieser Anspruch im Klageverfahren geltend zu machen.

Das Amtsgericht hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für den Antrag auf Einholung eines Verkehrswertgutachtens betreffend die Immobilie D Straße fehle es an dem rechtlichen Interesse im Sinne des § 485 Absatz 2 ZPO. Für die Bemessung eines dem Antragsteller zustehenden Pflichtteilsanspruchs komme es auf eine gutachterliche Schätzung nicht maßgeblich an. Denn für den Fall eines zeitnahen Verkaufs berechne sich ein Pflichtteilsanspruch nicht nach dem Verkehrswert, sondern nach dem tatsächlich erzielten Kaufpreis. Die Antragsgegnerin habe die Behauptung des Antragstellers bestritten, die Stadt C plane das Objekt abzureißen, ohne dass der Antragsteller seine Behauptung glaubhaft gemacht habe. Der Beweisantrag zur Ermittlung des Wertes der auf die Immobilie E Straße erbrachten Aufwendungen sei ebenfalls unzulässig. Entgegen der Vorschrift des § 485 Abs. 2 ZPO solle nicht der Zustand oder Wert einer Sache oder eine Schadensursache oder der Schadensbeseitigungsaufwand ermittelt werden, sondern der Wert von Aufwendungen, die der Antragsteller auch nicht hinreichend konkret bezeichnet habe. Insoweit sei der Antrag zu unbestimmt. Es fehle an der Darlegung hinreichender Anknüpfungstatsachen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der an seinem Begehren festhält. Zur Begründung führt er aus, er habe sowohl von der Stadt C als auch von dem letzten, im Haus noch verbliebenen Mieter die Information erhalten, dass das Haus D Straße abgerissen werden solle. Trotz des Verkaufs der Immobilie bestehe ein Anspruch...

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