Leitsatz (amtlich)

Teilt der Verteidiger der Betroffenen dem Amtsgericht mit, dass der Betroffene nicht bestreite, zur Tatzeit Fahrer des gemessenen Fahrzeugs gewesen zu sein, ist von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin keine weitergehende Aufklärung des Tatvorwurfs zu erwarten und er von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden.

Auch die Frage, ob ausnahmsweise von der Verhängung einer Fahrverbotes unter angemessener Erhöhung des Bußgeldes nach § 4 Abs. 4 BkatV abgesehen werden kann, rechtfertigt die Ablehnung eines Entbindungsantrages nicht, weil es dafür grundsätzlich nicht auf den persönlichen Eindruck von dem/der Betroffenen in der Hauptverhandlung ankommt.

 

Verfahrensgang

AG Soest (Entscheidung vom 03.04.2008)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die Landrätin des Kreises Soest hat gegen die Betroffene mit Bußgeldbescheid vom 06. November 2007 eine Geldbuße in Höhe von 50,00 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. In dem Bußgeldbescheid ist der Betroffenen zur Last gelegt worden, als Führerin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... am 06. September 2007 in Soest auf der B 475 außerorts die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 28 km/h überschritten zu haben. Die Anordnung des Fahrverbotes ist mit dem Vorliegen eines Regelfalles nach § 4 Abs. 2 BKatV begründet worden.

Auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch der Betroffenen gegen diesen Bußgeldbescheid hat das Amtsgericht Soest Termin zur Hauptverhandlung auf den 03. April 2008 bestimmt. Nach Zugang der Ladung bei der Betroffenen und ihrem Verteidiger hat dieser mit Schriftsatz vom 06. März 2008 beantragt, die Betroffene von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden und zur Begründung ausgeführt, die Betroffene räume ein, zur Tatzeit Fahrerin des Fahrzeugs gewesen zu sein, werde aber zur Sache keine (weitere) Einlassung abgeben. Mit Beschluss vom 10. März 2008 wies das Amtsgericht Soest den Antrag der Betroffenen zurück und führte zur Begründung aus, die Anwesenheit der Betroffenen sei zur Aufklärung des Sachverhalts insbesondere auch im Hinblick auf ein etwaiges Fahrverbot erforderlich. Mit Schriftsatz vom 13. März 2008 beanstandete der Verteidiger der Betroffenen diesen Beschluss mit näheren Ausführungen als verfahrensfehlerhaft. Mit weiterem Schriftsatz vom 20. März 2008 erhob der Verteidiger Einwendungen gegen die Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung und kündigte verschiedene Beweisanträge, jeweils gerichtet auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, an.

In der Hauptverhandlung vom 03. April 2008 war lediglich der Verteidiger der Betroffenen, nicht aber diese selbst erschienen. Das Amtsgericht hat daraufhin den Einspruch der Betroffenen mit Urteil vom selben Tage nach § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen. In den Gründen des Verwerfungsurteils heißt es u.a., dass die von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Termin nicht entbundene Betroffene im Hauptverhandlungstermin ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei. Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG für eine Entbindung der Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung hätten nicht vorgelegen. Zwar habe der Verteidiger der Betroffenen mit Schriftsatz vom 06. März 2008 erklärt, dass die Betroffene die Fahrereigenschaft nicht bestreite. Im Widerspruch dazu sei jedoch weiter erklärt worden, dass die Betroffene zur Sache keine Einlassung abgeben werde. Im letzteren Fall hätte eine Inaugenscheinnahme der Person der Betroffenen zur Feststellung der Fahrereigenschaft erfolgen müssen. Auch bei Einräumung der Fahrereigenschaft wäre die Anwesenheit der Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher, insbesondere persönlicher Umstände im Hinblick auf das in Betracht kommende Fahrverbot erforderlich gewesen.

Die Betroffene hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und das Rechtsmittel mit der erhobenen Verfahrensrüge des Verstoßes gegen § 73 Abs. 2 OWiG und der Verletzung rechtlichen Gehörs begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Soest zurückzuverweisen.

II.

Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1.

Die (allein) erhobene Verfahrensrüge der Betroffenen, mit der diese die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG und eine damit verbundene Versagung des rechtlichen Gehörs geltend macht, entspricht den formellen Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Die Betroffene hat in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift ...

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