Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidungstitel Vorhalten von Daten zur Auskunfterteilung

 

Leitsatz (amtlich)

I. Auch ein Unterbleiben der Löschung bzw. das weitere Aufbewahren einmal zulässig gespeicherter Daten stellt eine Datenverwendung i.S.v. § 3 Abs. 5 i.V.m. 4 Nr. 1 BDSG dar, die einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf.

II. Die datenschutzrechtliche Grundlage für die im Verfügungsverfahren begehrte weitere Aufbewahrung/zu unterbleibende Löschung bereits gespeicherter Verkehrsdaten ergibt sich aus § 96 Abs. 2 S. 1 letzter HS TKG i.V.m. § 101 Abs. 2 UrhG. Denn auch die Auskunfterteilung nach § 101 Abs. 2 UrhG fällt unter die Ermächtigung der Provider zur Speicherung von Daten zur Erfüllung eines anderen gesetzlichen Zweckes nach § 96 Abs. 2 S. 1 letzter HS TKG.

III. Die Zulässigkeit der weiteren Speicherung hängt davon ab, dass der Berechtigte ggü. dem Provider konkret ankündigt, in einem angemessen kurzen Zeitraum ein Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG einzuleiten.

 

Normenkette

UrhG § 101 Abs. 1-2, 9; TKG § 96; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 19.12.2008; Aktenzeichen 308 O 541/08)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, ZK 8, vom 19.12.2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Berufung.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin gehört zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern. Die Antragsgegnerin ist ein Unternehmen der Telekommunikationsbranche. Sie ist u.a. als Zugangsvermittlerin zum Internet tätig. Sie vergibt an ihre Kunden für die Nutzung des Internets IP-Adressen, die nach Trennung der Verbindung anderen Kunden zur Verfügung gestellt werden (sog. dynamische IP-Adressen).

Die Antragstellerin ist Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sowohl des Tonträgerherstellers als auch der ausübenden Künstler an den auf dem Album "..." des Künstlers "..." enthaltenen zwölf Aufnahmen. Der Tonträger ist am 26.9.2008 erstveröffentlicht worden und wird im Handel zu einem Verkaufspreis ab 12,95 EUR (vgl. Anl. 6 aus 308 O 497/08) angeboten. Im Oktober 2008 befand sich das Album auf Platz 5 der deutschen Albumcharts (Anl. EV Ast 13).

Die Antragstellerin beauftragte das Unternehmen p. M. GmbH, das Internet daraufhin zu überwachen und zu protokollieren, ob, zu welchem Zeitpunkt und über welche IP-Adresse rechtsverletzend Tonträger, an denen sie ein ausschließliches Nutzungsrecht besitzt, in Tauschbörsen angeboten wurden. Zu diesem Zweck bedient sich das Unternehmen p. M. GmbH der hierzu entwickelten Spezialsoftware, die auf dem "Bit Torrent-Protokoll" beruht (Anlage EV- ASt 1).

Aufgrund der eingeleiteten Ermittlungen wurden der Antragstellerin drei dynamische IP-Adressen bekannt, unter welchen der über einen sog. "Hash-Wert" identifizierte Tonträger "..." am 26.9.2008 in sog. Peer-to-Peer Netzwerken online zum Herunterladen angeboten wurde. Da der Antragstellerin die hinter den IP-Adressen stehenden Personen unbekannt waren, wandte sie sich an die Antragsgegnerin, um diese über die mutmaßliche Rechtsverletzung ihrer Kunden in Kenntnis zu setzen. Die ermittelten IP-Adressen waren ausweislich eines Eintrages in der RIPE-Datenbank für die Antragsgegnerin eingetragen. Die Informationen über die mutmaßlichen Rechtsverletzungen durch Kunden der Antragsgegnerin erfolgten bereits mit an diese gerichteten Schreiben vom 30.9.2008 und 10.10.2008 (Anl. EV-Ast 2). Die Antragsgegnerin ließ die Antragstellerin in ihrem Antwortschreiben vom 15.10.2008 (Anl. Ast-EV 3) wissen, dass sie für die Auskunfterteilung erforderliche Verkehrsdaten speichern werde, wenn sie dazu rechtlich berechtigt und verpflichtet sei; grundsätzlich bestehe eine datenschutzrechtliche Pflicht zur unverzüglichen Löschung nach § 96 Abs. 2 S. 2 TKG. Zeitgleich zur außergerichtlichen Information der Antragsgegnerin leitete die Antragstellerin ein Anordnungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG beim LG Hamburg (Az.: 308 O 497/08) ein. Dort trug sie zunächst zum Sachverhalt der mutmaßlichen Rechtsverletzung der hinter den drei IP-Adressen stehenden Nutzer vor und erklärte, dass sie ihren Anordnungsantrag nicht auf diese IP-Adressen stützen werde. Die Benennung der IP-Adressen erfolge lediglich, um der Antragsgegnerin generell Kenntnis von der Rechtsverletzung ihrer Kunden zu verschaffen. Die Antragsgegnerin, die in dem Anordnungsverfahren als Beteiligte angehört wurde, verteidigte sich in dem Verfahren u.a. damit, dass der Antragstellerin ein Rechtsschutzbedürfnis für das Anordnungsverfahren fehle, da sie als Accessprovider die Verkehrsdaten ihrer Kunden unmittelbar nach Ende der jeweiligen Internetverbindung lösche.

Noch bevor im Anordnungsverfahren eine Entscheidung durch das LG ergangen war, stellte ein Mitarbeiter des Unternehmens ProMedia am 23.10.2008 um 9.32 Uhr fest, dass der erneut über den "Hash-Wert" identifizierte streitgegenständliche Tonträger ".." von einem Nutzer über eine der Antragsgegnerin zugewiesene IP-Adresse 8 ... öffentlich zugängli...

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