Leitsatz (amtlich)

1. Die Ankündigung eines Barrabatts (hier: gestaffelt nach dem Lebensalter des Patienten) für den Kauf einer Brille verstößt als produktbezogene Absatzwerbung gegen §§ 1, 7 HWG; die Brille (bestehend aus Fassung mit geschliffenen Gläsern als Sehhilfe) ist ein Medizinprodukt i.S.d. § 3 Nr. 1 MedizinprodukteG (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a HWG).

Der Barrabatt gehört begrifflich zu den "Zuwendungen und sonstigen Leistungen" (§ 7 HWG), durch die Neufassung des § 7 HWG ist frühere Verbotsausnahme (wegen § 1 Abs. 2 lit. b und c ZugabeVO) beseitigt worden; eine der erlaubten Ausnahmen des § 7 HWG ist nicht gegeben.

2. Die Vorschrift des § 7 HWG eine Bestimmung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 4 Nr. 11; HWG §§ 1, 7; MedizinprodukteG § 3 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 31.08.2004; Aktenzeichen 312 O 551/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 31.8.2004 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 56.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger ist als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen klagebefugt (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG). Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Augenoptik-Unternehmen mit vielen Verkaufsniederlassungen. Sie hat auf jede Brille mit "A.V."-Kunststoffgläsern einen Rabatt in Höhe des Lebensalters des jeweiligen Kunden gewährt und hierfür u.a. mit den Angaben: "Bis zu 100 % Rabatt auf Fassung und Gläser!" und "Pro Lebensjahr 1 % Rabatt jetzt auf jede Brille mit A.V. Kunststoffgläsern" geworben (vgl. die in den erstinstanzlichen Klageantrag eingeblendete Kopie einer Internetwerbung auf Bl. 2; vgl. hierzu den Internet-Werbeausdruck vom 24.6.2003 gem. Anlage K 1, nachgereicht mit Schriftsatz vom 21.2.2005).

Der Kläger beanstandet das als wettbewerbswidrig. Er nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung in Anspruch.

In dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums erwirkte der Kläger am 2.7.2003 eine Unterlassungsverfügung des LG Hamburg (312 O 496/03), der Verbotsausspruch des Beschlusses stimmt mit dem des vorliegenden Klageantrages erster Instanz überein. Durch Urt. v. 19.8.2004 hatte das LG seine einstweilige Verfügung bestätigt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde vom Senat mit Urt. v. 26.2.2004 (OLG Hamburg, Urt. v. 26.2.2004 - 3 U 142/03, OLGReport Hamburg 2005, 38) zurückgewiesen. Auf die genannten Entscheidungen wird Bezug genommen.

Der Kläger hat vorgetragen: Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 7 HWG und damit gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Brillen als Medizinprodukte (§ 3 MedizinprodukteG) fielen unter die HWG-Vorschriften. Die ausgelobten Rabatte stellten Zugaben bzw. sonstige Werbeangaben i.S.d. § 7 HWG dar. Außerdem sei die Werbung wegen übertriebenen Anlockens unlauter (§ 3 UWG).

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung bestimmter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, insb. in nachfolgender Weise (es folgt die eingeblendete Kopie der Werbung aus dem Internetausdruck: Bl. 2) anzukündigen, dass sie auf den Kaufpreis einer Brille dem Käufer pro Lebensjahr 1 % Rabatt gewähre und/oder die so angekündigten Rabatte zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen: Der gewährte und beworbene Altersrabatt beim Brillenkauf falle nicht unter § 7 HWG. Das HWG sei auf Brillen nicht anwendbar, Brillen seien weder Arzneimittel, Medizinprodukte noch andere Gegenstände i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG. Andernfalls müsse aber die Vorschrift des § 7 HWG teleologisch reduziert werden. Der Gesetzeszweck, eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher durch eine Überdosierung oder einen Fehlgebrauch durch Selbstmedikation von Arzneimitteln zu verhindern, komme bei Brillen nicht in Betracht. Auch der Regelungszweck, die Therapiefreiheit der Heilberufler zu sichern, greife nicht, weil es bei Optikern ohnehin nur die eine Therapiemöglichkeit der "Brille" gäbe. Auch eine Kostenexplosion im öffentlichen Gesundheitswesen sei insoweit nicht zu befürchten.

Außerdem sei § 7 HWG nicht als eine auch für Brillen abschließende Regelung zu verstehen. Der Gesetzgeber habe die Frage der Anwendbarkeit des heilmittelwerberechtlichen Zuwendungsverbotes auf Medizinprodukte bei der Anpassung des HWG an den Wegfall der ZugabeVO schlicht übersehen. Tatsächlich habe der Gesetzgeber mit dem 2. Medizinprodukte-ÄnderungsG keine restriktivere Regelung für Medizinprodukte als zuvor schaffen wollen.

Bei den beanstandeten Rabatten handele es sich nicht um Zuwendungen oder sonstige Werbegaben i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG. Werbegaben seien Waren oder Leistungen, die unabhängig von der Hauptware gewährt würden, so dass darunter nicht Rabatte fi...

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