Leitsatz (amtlich)

1. Sind mehrere Streitgenossen Kostenschuldner, von denen nicht alle vorsteuerabzugsberechtigt sind, so kann im Kostenfestsetzungsverfahren hinsichtlich des etwaigen Anfalls von Umsatzsteuer deren Innenverhältnis nicht unbeachtet bleiben. Trägt im Innenverhältnis ein vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse alleine die gesamten Kosten, so kann auch für die weiteren Streitgenossen keine Umsatzsteuer verlangt werden.

2. Ist eine Geschäftsführerin in einem Rechtsstreit, der ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin betrifft, mit der Gesellschaft zur Kostentragung verurteilt, so wird ihr regelhaft ein Ersatzanspruch nach §§ 611, 675, 670 BGB für getätigte Aufwendungen zustehen. Dann ist davon auszugehen, dass im Innenverhältnis zwischen der Geschäftsführerin und Gesellschaft letztlich die vorsteuerabzugsberechtigte Gesellschaft die gesamten Kosten der Rechtsverfolgung trägt, solange nichts anderes vorgetragen ist.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 327 O 230/21)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 28.09.2023, Az. 327 O 230/21, dahingehend abgeändert, dass die von der Klägerin an die Beklagten nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15.06.2023 zu erstattenden Kosten auf 7.616,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26.06.2023 festgesetzt werden und der weitergehende Festsetzungsantrag zurückgewiesen wird.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 1.305,50 EUR.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Zu Recht und mit zutreffender Beschwerdebegründung macht die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen nach §§ 91 Abs. 2, 103, 104 Abs. 1 und 2 Satz 3 ZPO nicht vorliegen, weil die Beklagten nicht dargelegt haben, dass als Kosten des Rechtsstreits tatsächlich Umsatzsteuerbeträge anfallen.

a) Nach § 91 Abs. 2 ZPO umfassen die Kosten des Rechtsstreits die notwendigen gesetzlichen Gebühren und Auslagen des mandatierten Rechtsanwalts. Hierzu gehört gemäß Nr. 7008 VV RVG auch die anzusetzende Umsatzsteuer, sofern diese nicht gemäß § 19 Abs. 1 UStG unerhoben bleibt. Nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist für die Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen eine Erklärung des Antragstellers dahingehend ausreichend, dass die Beträge nicht als Vorsteuer abgezogen werden können.

Hier liegt eine solche Erklärung nur der Beklagten zu 2) vor. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich hingegen um eine vorsteuerabzugsberechtigte Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

b) In einem solchen Fall kann hinsichtlich des etwaigen Anfalls von Umsatzsteuer das Innenverhältnis der Streitgenossen nicht unbeachtet bleiben. Ist nur einer der Streitgenossen vorsteuerabzugsberechtigt, so ist maßgeblich, wer im Innenverhältnis welche Kosten zu tragen hat. Trägt der vorsteuerabzugsberechtigte Streitgenosse alleine die gesamten Kosten, so kann auch für die weiteren Streitgenossen keine Umsatzsteuer verlangt werden (Senat, Beschluss vom 17.06.2019 - 4 W 54/19; BGH, Beschluss vom 25.10.2005 - VI ZB 58/04 - NJW 2006, 774; OLG Nürnberg, Urteil vom 11.09.2007 - 5 W 1582/07 -, Rn. 7 ff., juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2010 - 6 W 117/09 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. 06.2001 - 8 W 80/99 -, juris). Andernfalls würde man der obsiegenden Partei nur fiktiv geschuldete, tatsächlich jedoch nicht angefallene Kosten und damit eine Bereicherung zugestehen (vgl. OLG Stuttgart aaO.; KG, Beschluss vom 28.10.1997 - 1 W 1070-97 - NJW-RR 1998, 860).

Soweit die Beklagten auf eine in Teilen unterschiedliche Beteiligung am Rechtsstreit hinweisen, kommt es hierauf nicht an. Entscheidend ist nach dem vorgenannten Maßstab vielmehr, ob und ggf. in welchem Umfang die nicht vorsteuerabzugsberechtigte Beklagte zu 2) im Innenverhältnis tatsächlich die Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten trägt. Regelhaft wird der Beklagten zu 2) gegenüber der Beklagten zu 1) ein Ersatzanspruch nach §§ 611, 675, 670 BGB für getätigte Aufwendungen zustehen. Eine solche Aufwendung dürfte vorliegend mit den Prozesskosten der Beklagten zu 2) gegeben sein, soweit der Rechtsstreit im Wesentlichen deren Tätigkeit als Geschäftsführerin betraf. Regelhaft kann - vorbehaltlich anderweitigen Vortrags - dann davon ausgegangen werden, dass im Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer und GmbH letztlich die vorsteuerabzugsberechtigte GmbH die gesamten Kosten des Rechtsanwalts trägt (vgl. Senat, Beschluss vom 17.06.2019 - 4 W 54/19).

c) Der Senat hat den Beklagten ausdrücklich Gelegenheit gegeben vorzutragen, ob und ggf. in konkret welchem Umfang die Beklagte zu 2) auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1) tatsächlich Anwaltskosten zu tragen habe. Die Beklagten haben daraufhin nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 2) (teilweise) Kosten zu tragen h...

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